Amber-Zyklus 09 - Ritter der Schatten: der Titel
blutroten Teich, der das Innere des Juwels war. Die Teile des Musters, die ich bereits durchschritten hatte, und jene, die ich noch vor mir hatte, schwirrten um mich herum und zuckten wie Blitze. Ich hatte das Gefühl, daß mein Verstand gegen einen unsichtbaren Schleier prallen und zerschmettert werden würde. Ich beherrschte meine Bewegungen jetzt nicht mehr, sie wurden immer schneller. Ich wußte, daß ich keine Möglichkeit hatte, mich aus dieser Sache zurückzuziehen, bevor ich die ganze Strecke hinter mich gebracht hatte.
Dworkin vertrat die Meinung, daß ich während unserer Begegnung gegen das Muster geschützt gewesen war, als ich zurückgegangen war, um mich wegen der Gestalt zu vergewissern, die ich zuvor gesehen hatte, und zwar dadurch, daß ich den Juwel getragen hatte. Ich konnte ihn jedoch nicht allzulange tragen, denn auch das barg eine tödliche Gefahr in sich. Er kam also zu dem Schluß, daß ich mich auf den Juwel einstimmen mußte - so wie es bei meinem Vater und Random der Fall war -, bevor ich ihn aus der Hand geben durfte. Danach würde ich das Bild der Höheren Ordnung in mir tragen, welches ebensogut wie der Juwel dazu dienen sollte, mich gegen das Muster zu schützen. Ich konnte dem Mann, der vermutlich das Muster geschaffen hatte, wohl kaum widersprechen, was den Gebrauch des Juwels betraf. Also stimmte ich ihm zu. Nur daß ich zu müde war, um das zu tun, was er vorgeschlagen hatte. Deshalb hatte ich mich von Geist in meine Kristallhöhle zurückbringen lassen, in mein Allerheiligstes, um erst einmal auszuruhen.
Jetzt, jetzt... Ich trieb dahin. Ich wurde herumgewirbelt. Hin und wieder blieb ich irgendwo hängen. Des Juwels Äquivalent zu den Schleiern war nicht weniger schrecklich, nur weil ich meinen Körper zurückgelassen hatte. Nach jedem Durchgang war ich so ausgelaugt, als wäre ich ein paar Kilometer in olympischer Zeit gerannt. Obwohl mir auf einer Bewußtseinsebene klar war, daß ich den Juwel in Besitz hatte und er mir den Weg des Eingeweihten ermöglichte, spürte ich auf einer anderen Ebene, wie mein Herz pochte, und wieder auf einer anderen erinnerte ich mich an Ausschnitte aus einer Gastlesung von Joan Halifax im Zusammenhang mit einem Anthropologiekurs, den ich viele Jahre zuvor besucht hatte. Das Medium wirbelte wie der Geysir Peak Merlot 1985 in einem Weinkelch - und wen sah ich da an jenem Abend mir gegenüber am Tisch? Gleichgültig. Weiter, hinunter und rundherum. Die bluthelle Flut war losgebrochen.
Eine Botschaft wurde in mein Denken eingeritzt. Am Anfang stand ein Wort, das ich nicht buchstabieren kann - heller, heller. Schneller, schneller. Zusammenstoß mit einer Rubinwand, ein Schmierer darauf. Komm jetzt, Schopenhauer, auf zum Endspiel des Willens! Ein Zeitalter oder zwei kamen und gingen, dann war der Weg plötzlich offen. Ich wurde hinausgespuckt in das Licht eines explodierenden Sterns. Rot, rot, rot, weitergleitend, wegtreibend, wie mein kleines Boot, die Starburst, dahinsegelnd, sich ausdehnend, heimkehrend...
Ich brach zusammen. Obwohl ich nicht ohnmächtig wurde, war mein Geisteszustand auch nicht normal. Ich konnte mich, wann immer ich Lust dazu hatte, einem euphorischen Trip hingeben, in beide Richtungen. Aber warum? Ich bin selten empfänglich für solche Anflüge von Hochgefühl. Doch in diesem Fall war ich der Ansicht, daß ich es mir verdient hatte, also ließ ich mich lange, lange so treiben.
Als es schließlich unter eine Ebene absackte, die Nachsicht rechtfertigte, rappelte ich mich auf, schwankte, lehnte mich gegen die Wand und taumelte in den Vorratsraum, um mir noch etwas Wasser zum Trinken zu holen. Außerdem hatte ich einen Riesenhunger, doch von der Tiefkühl- oder Dosennahrung machte mich nichts allzusehr an. Erst recht nicht, da frischere Sachen nicht allzuschwer zu bekommen waren.
Ich ging durch diese vertrauten Kammern zurück. Nim hatte ich also Dworkins Rat befolgt. Schade war nur, daß ich mich ausgeklinkt hatte, bevor mir eine lange Liste von Fragen eingefallen War, die ich ihm gern gestellt hätte. Als ich zurückkehrte, war er nicht mehr da.
Ich kletterte nach oben. Als ich aus meiner Höhle kam, stand ich auf einer blauen Erhebung mit dem einzigen Eingang, von dem ich wußte. Es war ein leicht windiger, milder, frühlingshafter Morgen, mit nur wenigen kleinen gebauschten Wolken im Osten. Vor Vergnügen holte ich tief Luft und stieß sie wieder aus. Dann bückte ich mich und verschob den blauen Felsbrocken, um die Öffnung
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