Amber-Zyklus 10 - Prinz des Chaos: der Titel
Verwandten bewundert, geachtet -vielleicht sogar in Ehrfurcht angebetet? Oder bargen diese verborgenen Kapellen irgendein düsteres Geheimnis?
Ich nahm die Hand von Werwind und trat näher an das Pentagramm heran.
Meine Logrus-Sicht enthüllte nichts Ungewöhnliches, doch ein intensives Abtasten mit dem Speichenkranz brachte die Überreste einer magischen Handlung zutage, deren Spuren vor langer Zeit weitgehend entfernt worden waren. Die Zeichen waren jedoch zu undeutlich, um mir irgendeinen Hinweis zu geben. Während es mir nach diesem kleinen Erfolg möglich erschien, mich weiter voranzutasten und vielleicht ein deutlicheres Bild zu erhalten, war mir ebenso klar, daß ich nicht die Zeit hatte, die eine solche Vorgehensweise beanspruchen würde.
Zögernd kehrte ich zu dem Pfad zurück. War dieser Ort möglicherweise für den Versuch benutzt worden, die Beteiligten irgendwie zu beeinflussen?
Ich schüttelte den Kopf. Die Lösung dieses Rätsels mußte ich mir für später aufheben. Ich fand den Pfad und übergab mich seiner Obhut.
Auch bei meiner Rückkehr stolperte ich.
Während ich mich mit einer Hand am Rahmen des Schrankes festhielt, griff ich mit der anderen nach einem Kleidungsstück, hielt mich auf diese Weise aufrecht, richtete mich zur vollen Größe auf und trat hinaus. Dann schob ich die Kleidung wieder an ihren Platz und schloß die Türen.
Ich zog mich schnell aus, veränderte unterdessen meine Gestalt und schlüpfte wieder mal in die Trauerkleidung. Ich spürte eine Aktivität in der Nähe des Speichenkranzes, und zum ersten Mal ertappte ich ihn dabei, daß er sich einer der vielen Energiequellen bediente, über die er verfügte, um seine Form zu verändern und sich der sich wandelnden Form meines Fingers anzupassen. Offenbar hatte er dies schon etliche Male zuvor gemacht, doch dies war das erste Mal, daß ich den Vorgang bemerkte. Das war interessant, denn es zeigte, daß dieser Gegenstand in der Lage war, unabhängig von meinem Willen zu handeln.
Ich wußte nicht genau, was dieses Ding eigentlich war, welchen Ursprungs es sein mochte. Ich behielt es, weil es eine beachtliche Kraftquelle darstellte, einen hinreichenden Ersatz für den Gebrauch des Logrus, vor dem ich mich zur Zeit scheute. Doch während ich es dabei beobachtete, wie es seine Form veränderte, um sich meinem Finger anzupassen, machte ich mir so meine Gedanken. Wenn sich nun irgend jemand dieses Ding als Falle ausgedacht hatte, die genau im falschen Augenblick zuschnappen würde?
Ich drehte es ein paarmal an meinem Finger hin und her. Ich versenkte meinen Geist darin, obwohl ich wußte, daß dies ein sinnloses Unterfangen war. Ich würde eine Ewigkeit brauchen, um jeden Strang bis zu seiner Quelle zu verfolgen und dabei auf verborgene Zauberbanne zu achten. Es war wie eine Reise durch eine Schweizer Uhr - eine Sonderanfertigung. Mich beeindruckten einerseits seine gelungene ästhetische Gestaltung und andererseits die unglaubliche Arbeit, die für seine Schaffung aufgewendet worden war. Es mochte leicht irgendwelche verborgenen Befehle gespeichert haben, die nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam wurden. Und doch...
Bis jetzt hatte es nichts Schlimmes getan. Und die Alternative war der Logrus. Das brachte mir zu Bewußtsein, wie zutreffend die Aussage war, daß der unbekannte Teufel stets dem bekannten vorzuziehen ist.
Mit düsterer Miene strich und zupfte ich mein Äußeres zurecht, konzentrierte meine Aufmerksamkeit auf den Tempel der Schlange und gebot dem Speichenkranz, mich zu dessen nächstem Eingang zu befördern. Er erfüllte seine Aufgabe so geschmeidig und sanft, als hätte ich niemals an ihm gezweifelt, als ob ich in ihm nicht einen neuen Anlaß zur Paranoia entdeckt hätte.
Eine Zeitlang stand ich einfach nur da, vor den Toren aus erstarrtem Feuer, vor der großen Kathedrale der Schlange am äußersten Rand des Platzes am Ende der Welt, genau am Abgrund zur Großen Grube, wo einem an einem günstigen Tag ein Blick auf die Schöpfung des Universums gewährt wird, oder auf dessen Ende -und ich beobachtete die durch den Raum schwärmenden Sterne, die sich entfalteten und wieder schlossen wie Blütenknospen. Und nun, da mein Leben an einen Wendepunkt gekommen war, schweiften meine Gedanken zurück nach Kalifornien; ich dachte an die Schule und das Segeln mit Luke und Gail und Julia auf der Sunburst, daran, wie ich gegen Ende des Krieges mit meinem Vater zusammengesessen hatte, wie ich mit Vinta Bayle durch die
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