Ambient 02 - Heidern
man ihm das Höschen hinunterzog. »Pipi«, wiederholte er andauernd und hielt diese Puppe hoch, mit der er den Mittelgang entlangspritzte.
Im letzten Waggon schliefen einige Männer unter den Sitzen, zugedeckt mit Lumpen und Decken. Wir machten kehrt und gingen wieder Richtung Spitze des Zuges. Drei Wagen später blieb Jude abrupt stehen, und wir drängelten uns zusammen. Iz, Weezie und Jude flüsterten sich gegenseitig ins Ohr. Jude spechtete in den Wagen, den wir gerade verlassen hatten und nickte Weezie zu. Ich schaute auch zurück und sah nur eine Gruppe Leute, die an der 96. Straße zugestiegen war und jetzt zwischen den beiden Türen am Waggonende stand. Iz murmelte: »Sei n Schatten. Sag nix. Tu nada. Sei n Schatten. Aus!«
Iz ging zurück in den Waggon, den wir gerade passiert hatten. Ich folgte ihr. Sie stellte sich mit dem Gesicht zur Tür an einen der hinteren Ausgänge. Sie bedeutete mir, daß ich mich neben sie und die drei Sitzplätze am Wagenende stellen sollte, auf denen drei alte Männer saßen und Zeitung lasen. An der 72. kam Weezie nach hinten und stellte sich hinter einen Mann, der sich vor den drei Zeitungslesern an der Griffstange festhielt. Als der Zug wieder anfuhr, kam Jude und stellte sich vor den Kerl, zwischen ihn und uns. Jude hatte seine Größe und lächelte ihn mit einem Mund voll blendender Zähne an. Er erwiderte ihr Lächeln. Ein Mittdreißiger, weiß, teure orange Hose, kurze Lederjacke. Jude, der Kerl und Weez blickten alle in die gleiche Richtung, nur Zentimeter voneinander entfernt.
66. Straße: An unseren Türen stieg niemand aus oder zu. Als der Zug anfuhr, ließ sich Jude auf den Kerl fallen, als habe sie das Gleichgewicht verloren. Als Folge rempelte er Weezie an. Jude drückte ihren Hintern an den Typen und rieb sich an ihm wie eine Katze, daß dem Mann die Augen aus dem Kopf fielen wie einer Zeichentrickfigur, die eben einen Amboß oder Hammer auf die Birne bekommen hat. Iz schubste mich, damit ich aufhörte hinzustarren. Eigentlich wollte ich ja auch nicht, aber ich konnte es einfach nicht fassen, wie Jude hier die Nuttennummer abzog. Iz starrte aus dem Fenster, bis wir in den Bahnhof an der 59. Straße einfuhren, dann zwinkerte sie Jude und Weezie zu.
»Yo yo yo, scusi, aussteigen bitte, aussteigen lassen«, forderte Weezie, und der Kerl trat einen Schritt zur Seite. Ich und Iz und Jude waren schon ausgestiegen. Weez schaffte es gerade noch durch die Tür, als sie schon zuging und der Zug sich in Bewegung setzte. Jude blickte Weez fragend an: »Yeah?« Weez nickte. Iz fing an zu lachen, und wir gingen zu den Drehkreuzen. Wir verließen die U-Bahn über die Treppen und standen in der Mitte des Columbus Circle.
»Der Affenarsch hatte n Truthahnhaxl in der Hose, hey. Was habn wir, Weez? Was hatte der Hund dabei?« fragte Jude. Weez zog eine teuer aussehende Brieftasche aus ihrer Jacke und reichte sie Jude, die sie ganz nahe bei sich öffnete, hinter den Kreditkarten stochernd, die Fächer durchstöbernd. »Yo, heilige Mutter, der hat sein Pausengeld gespart, damit er noch mehr schicke Clownshosen kaufen kann«, spottete Weez. »167«, grinste Jude, als sie mit dem Zählen des Geldes fertig war. »Zahltag«, freute sich Iz. Er hatte acht Zwanziger dabei, von denen Jude jeder zwei gab. Die sieben übrigen Dollarnoten rollte sie mit ihren zwei Zwanzigern zusammen und stopfte sie sich in den Ausschnitt. »Für die Reinigung. Hat er mir Flecken reingemacht?« fragte Jude und blickte über die Schultern auf ihren Hintern hinab. »Alles trocken«, beruhigte sie Iz. Jude warf die Brieftasche in eine Mülltonne. »Hoch die Death Angels!« rief Weez. Alle steckten ihr Geld in die Taschen, ich auch. Wir überquerten die Fahrbahn und gingen den Broadway hinunter, eine neben der anderen, damit die Leute uns ausweichen mußten.
»Ihr habt ihn beklaut!« sagte ich schließlich. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Iz und Weez gingen links und rechts von mir und legten mir lachend ihre Hände auf die Schultern. »Auf keinen Fall. Is mir alles in die Hand geplumpst«, empörte sich Weez.
»Wie ging das?«
»Timing, Übung.« Jude.
»Scheißeinfach. Iz auf Posten. Ich klaue. Jude lenkt ab.« Weez.
»Früher war Weez der Lockvogel, mag aber nich mehr.« Jude.
»Soll mir kein Schleimer zu nahe kommen. Lieber nehm ich sie mit Gewalt aus.« Weez.
»Lügnerin!« Jude.
»Folgendes: Wir gehn bunkern, okay? Weezie beackert diesn alten Knacker mit schnellen Reflexen.« Iz.
»70 war
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