Ambient 02 - Heidern
Weez schließlich los und kniete sich hin, um die zwei Teile aufzuheben. Sie schluchzte noch gelegentlich und hielt sich von Zeit zu Zeit den Hinterkopf oder die Nase. »Sorry, Weez, aber keine Klinge mehr in meine Richtung. Verstanden?« Jude. Weez nickte.
»Zurück uptown. Die Woche is mir eh zuviel Plündern und Belagern angesagt.« Jude.
»Muß noch in die Läden«, meldete sich Weez.
»Machs. Wir nich. Nich jetzt. Flattermann, verstehst?« Iz.
Weez warf die Stücke ihres Messers zu dem Gerümpel aus den verfallenden Gebäuden und humpelte zum Broadway zurück. Kaum war sie weg, packte Jude mein Hemd und piekste mich mit ihrem Finger fortwährend in meine Brust. Jetzt verstand ich gar nichts mehr und wünschte, ich wäre zu Hause geblieben.
»Ihr endet noch als Mörderschmonzette, wenn du sie nich bald um n Finger wickelst. Leibwächtern is nich mein Job, hörst mich?«
»Hörs, hörs«, stieß ich hervor, weil ich Angst hatte, daß sie mich verhaut. »Weez wird dich immer anmachen, wennst nich vor ihr zitterst.« Jude. Iz trat heran und trennte uns. »Scheiße, Jude, Weezie spinnt, nich Lola.«
»Scheißwurscht. Lola tritt die Lawine los.« Jude.
»Es geht drum, wie Lola ist, nich was Lola macht. Sie kann nix dafür.« Iz.
»Absoluto egal. Die Kacke dampft trotzdem. Irgendwie müßt ihrs geregelt kriegn. Weez hat in nullkommanix n neues Schneideisen.« Jude.
»Warum haßt sie mich so?« Jude schüttelte nur den Kopf.
»Die haßt jeden, hab ich dir schon verklickert. Aber n paar respektiert sie. Sie muß dich respektieren.« Jude.
»Wie mach ich das?«
»Leg sie aufs Kreuz, das reicht.« Jude.
»Und wie soll sie das anstelln?« Iz. Jude schüttelte immer noch den Kopf.
»Und wenn Weez mich umbringt?«
»Passiert nich.« Jude.
»Wenn doch?«
Jude zuckte mit den Achseln. »Dann biste tot.«
Es war mir einfach zu viel, Anne. Ich langte in meine Jackentasche, zog das Geld heraus, das sie mir gegeben hatte und drückte es ihr in die Hand. »Ich bin kein Death Angel. Nehmt es wieder.« Jude fixierte mich, als sei ich ein Irrer aus dem Park. »Ich gehe jetzt wohl besser heim.«
»Weez macht dir schon kein Loch ins Kleidchen. Is doch alles heiße Luft«, rief Jude mir hinterher, als ich schon ein Stück weg war.
»Warte, Lola«, hörte ich Iz rufen, die mir nachlief. An der Ecke wartete ich, bis sie mich eingeholt hatte. »Jude is doch auch aufm Adrenalinhigh wegen Weez. Die kommt gleich wieder runter.«
»Und was soll ich mit Weezie anstellen?« Keine Antwort.
»Hör zu, ich ruf dich morgen an. Okay?« Ich nickte, ging bei Grün über die Straße und lief zur U-Bahn.
Da haben wir es wieder, Anne. Ich scheine kein sehr großes Talent zu besitzen, Freundinnen über einen längeren Zeitraum zu halten. Was immer ich auch unterlasse, immer tue ich auch etwas. Ich kam nach Hause und weinte nur wenig, jedenfalls wenig genug, daß Mama es nicht mitbekam. Nur Boob fragte gleich, was mit mir los sei, als ich in unser Zimmer kam. Aber ich wiegelte ab, obwohl mir Boob sicherlich anmerkte, daß ich schwindelte. Aber sie sagte dann nichts mehr. Später habe ich mir dann Vorwürfe gemacht, daß ich getrickst hatte, weil ich vielleicht über meine Probleme mit ihr ins Gespräch über ihre Sorgen hätte kommen können, aber jetzt ist es eh schon egal. Boob ist halt wieder still und denkt sich wahrscheinlich, ich sei wie Mama und Pappi, die auch immer behaupten, daß nichts wäre, wenn wir sie fragen.
Vielleicht sind Weez und Jude einfach zu hart, zu sehr Straße für mich, aber Iz scheint anders zu sein. Deswegen geht sie auch jetzt noch freundlich mit mir um, aber ich weiß wirklich nicht mehr, wo oben und wo unten ist. Wenn ich wenigstens noch Freundinnen an der Schule hätte, sähe es ein wenig anders aus, aber damit ist es wohl vorbei. Dabei hätte ich dringend jemanden nötig. Ich habe ihnen doch nichts getan. Andererseits: Weez und Jude habe ich auch nichts getan, und nun schau, wie die sich benehmen. Nein, ich will gar nicht mehr mit denen zusammen sein, so wie Weez sich aufführt. Ich spüre noch Weezies Spucke im Gesicht, werde sie immer spüren. Dabei empfinde ich Angst, Anne, weil ich rasend vor Wut werde, wenn ich daran denke, was sie getan hat. Das schmeckt mir gar nicht, weil ich mir immer etwas darauf zugute gehalten habe, daß ich ruhig bleibe und denke, während der Rest durchdreht. Das fällt mir immer schwerer. Jetzt fühle ich mich noch einsamer als zuvor. Ein Uhr, Pappi ist noch nicht
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