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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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da.
    Gute Nacht, Anne.
     

26. April
    Heute geht es mir besser, Anne, weil Iz und ich ein langes und gutes Gespräch hatten. Nach dem Frühstück bin ich raus und habe mich mit ihr getroffen, um herumzulaufen. Iz mußte heute nicht in die Kirche, weil die Infanteristen den Block ihrer Großmutter befriedet haben und sie wieder zurück nach Hause ist. Sie trug ein Bob-Marley-T-Shirt, da fiel mir wieder ein, daß ich sie noch fragen wollte, was all die Namen gestern auf Weezies T-Shirt zu bedeuten hatten. »Sin die Jungs aus ihrem Block, die letztes Jahr umgekommen sind. Hat der Mieterbund machn lassn, brauchn Geld für Wachen.« Gott, das müssen 40 Namen gewesen sein auf dem T-Shirt.
    Wir landeten schließlich am Morningside Drive nahe der Columbia und hockten uns auf die Mauer, von der aus man über den Morningside Park und Harlem blicken kann. Morningside Park ist dermaßen gefährlich, daß man ihn nicht einmal tagsüber betreten kann. Heute war es viel heißer als gestern noch; der Rauch trieb jetzt auch zu uns hoch, war aber noch nicht so schlimm, daß er uns beim Atmen gestört hätte. Long Island lag komplett unter einer Rauchwolke, ein weiter oben gelegener Teil von Harlem ebenfalls. Alle fünf Minuten hörten wir es irgendwo einschlagen. Über unseren Köpfen flogen ständig Helikopter ostwärts. Aus dem Himmel fielen Rußflocken, die unsere Kämme schwarz färbten, wenn wir mit ihnen durch unser Haar fuhren.
    »Wie geht es Esther?« fragte ich als erstes, als wir uns setzten. Zuvor hatten wir über nichts von Bedeutung gesprochen, nur über die Armee und was es zum Frühstück gegeben hatte. »Solala. Wir stopfn sie voll, wenn wir sie sehn, weil sie beim Essen schlampert. Wo sie doch für zwei mampfen muß, solang sie trägt.«
    »Warum hat sie nicht abtreiben lassen?« Iz lachte auf.
    »Konnte sich keinen Kleiderbügel leisten. Nein, war gemein. Sie wollte halt nich. Glaubt nich dran. Denkt, sie is reif fürs Mamading.«
    »Sie ist doch noch so jung.«
    »So is Esther.«
    »Möchtest du schon ein Baby haben?«
    »Ich geh doch noch zur Schule, keine Zeit für Babykram.«
    »Ich möchte überhaupt nie eines.«
    »Nie würd ich nie sagn. Was weiß man?«
    »Du hast doch selbst gerade behauptet, keines zu wollen.«
    »Jetzt nich, nich überhaupt nich. Issn Unterschied.«
    Dann sahen wir eine Weile den Rauchwolken zu und suchten nach Köpfen und Gesichtern. Ich fand kein einziges, aber Iz sah andauernd Sänger, die sie kannte, die mir aber völlig fremd waren. »Was treibt Jude heute?«
    »Arbeitet.«
    »Sie hat einen Job?«
    »Nich direkt n Job, aber es kommt was rein.«
    »Was treibt sie?«
    »Sie nennt es ›Behinderten helfen‹.«
    »Stehlt ihr schon lange?«
    Es fing an mich zu stören, als ich daran dachte, wie sie gestern den Kerl in der U-Bahn ausgenommen haben. Alles ging so schnell, danach der Kampf zwischen Weez und Jude. Das ging mir bis heute früh nicht aus dem Kopf. Froh bin ich, daß ich das Geld an Jude zurückgegeben habe. »Ich bin ja bloß der Späher«, sagte Iz.
    »Aber die anderen stehlen, und du kriegst deinen Anteil.«
    »Ohne Geld is für dich kein Platz auf dieser Welt«, trällerte Iz und lachte.
    »Bist du Weezie über den Weg gelaufen seit gestern?«
    »Geh ihr ausm Weg, wenns geht. Gibt schon so genug Irre.«
    »Wenn das so ist, warum triffst du dich dann überhaupt mit ihr?«
    »Jude trifft sie. Ich könnt auch ohne sie lebn.«
    »Sind wohl alte Freundinnen?«
    »Seit der 1. Klasse. Weez kriegte n Killerblick, als Jude mich anschleppte, aber Jude ließ erst gar keinen Ärger aufkommen. Jetzt gehts mit uns, aber s geht eben bloß.«
    »Hat sie dich nie schikaniert?«
    »Nix Tödliches.«
    »Mir fällt einfach nichts ein, wie ich ihr beibringen soll, daß sie mich besser in Ruhe läßt.«
    »Laß es laufen. Schau, was passiert. Es liegt nich an dem, was du tust.«
    »Wahrscheinlich frage ich ihr zu viel, aber das wird ja wohl noch erlaubt sein.«
    »Isses auch. Un daran liegts nich. Weez bildet sich bloß ein, daß eine wie du von Haus aus besser denken kann als sie.«
    »So ein Quatsch.«
    »Kein Quatsch. S stimmt wahrscheinlich, bloß merkst dus nich. Jeder hält sich für besser als alle andern, weils ihm sonst noch schlechter geht als so schon«, konterte Iz, um sich gleich zu verbessern. »›Schlechter ginge‹ muß es heißen. Merkst dus? Wenn du da bist, fühl ich den gleichen Quatsch, über den Weez immer labert. Aber ich weiß, daß dus nich so meinst. Es is halt

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