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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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aufgeladen, Anne, alles erschien mir gestochen scharf, doch war mir schwindlig; mein Blut pulsierte in Kopf und Nacken. Etwa fünf Minuten ruhten wir uns aus. Unser Atem ging immer noch stoßweise. Dann richtete Iz mich auf und legte ihre Arme um mich. »Lebst du noch?«
    »Klaro!« stieß ich hervor, obwohl nix klar war. Je mehr ich mich beruhigte, desto schlechter ging es mir, Anne. Mein Magen fühlte sich an, als müßte ich gleich kotzen. Er hat mich nicht vergewaltigt, aber ich fühlte mich, als ob er es getan hätte. Meine Haut schien nicht mehr die meine zu sein. Sie fühlte sich überall so schmierig an. Mein Nacken schmerzte, mein Gesicht auch, und ich fragte mich, ob es wohl voller blauer Flecken sei. Jetzt rutschte auch Jude zu uns herüber und umarmte uns beide, mich und Iz, und so saßen wir eine Zeitlang da, bis wir uns sicherer vorkamen.
    »So, da wärn wir, wolln einen Höflichkeitsbesuch machen, und keiner is da«, meldete sich Jude zu Wort und sah sich im Zimmer um. »Keine Weezie. Keine Knarre. Nix. Nada.«
    »Bist du sicher, daß sie überhaupt hier war?« »Wennst so fragst: die sind inner Nähe. Kann sein, was mag, ihre geilen Stiefel läßt Weezie nich zurück.« Weezies Stiefel mit dem Klebeband an der Spitze lagen auf einem Haufen gelblicher Bandagen. »Der Fuß tut ihr wohl noch weh. Ihr ganzer Körper scheint ruiniert zu sein.« Auf der Matratze lagen Jeans. Bezüge oder Kissen kannten Weez und ihr Freund wohl nicht. In einer Ecke stapelten sich leere Limonadendosen und Weinflaschen. Mitten im Zimmer war der von Jude geworfene Blumentopf in tausend Stücke zerborsten und hat seinen schmutzigen Inhalt in jeden Winkel verstreut. Dazu lagen noch jede Menge leerer Crack-Kapseln aus Glas am Boden. Der Luftzug vom Fenster her ließ das Zeitungspapier rascheln. »Jedenfalls jetz isse weg. Wir müssn gehn.«
    Wir verließen das Zimmer und gingen die Treppen hinab. Meine Beine zitterten noch ein wenig, aber ich kam klar. Ob oben alles ruhig war, konnten wir nicht beurteilen, weil der Salsalärm von unten so höllisch war, aber der Typ würde uns wohl nicht verfolgen. Draußen auf den Stufen saßen zwei Kinder, acht Jahre alt vielleicht. Sie standen auf, als sie uns herunterkommen hörten. Eines war ein Mädchen mit schwarzen Haaren. Ihre Arme und Beine waren Stummel, wie bei Zwergen vielleicht, und sie zischte uns im Vorbeigehen an wie eine Schlange. Das andere Kind, ein Junge, lächelte dagegen sehr freundlich. Wir waren alle drei verblüfft, Anne, weil der gar nicht mehr aufhörte zu lächeln. Er wußte genau, daß er uns damit Angst einjagen konnte und machte mit Absicht immer weiter. Er hätte leicht zwei oder drei Orangen in seinem Mund untergebracht, so groß war der; er reichte von einem Ohr zum anderen.
    Auf dem Weg zur U-Bahn redeten wir nicht viel. Wir versuchten vor allem, nicht aufzufallen. Mich juckte es überall, und ich befürchtete schon, der Kerl hätte mir ein paar Läuse vererbt, was aber nicht der Fall ist. Wußte ich da aber noch nicht.
    »Habn wir ihn umgebracht?« fragte ich Jude.
    »Weiß mans?« Bis zu diesem Moment, als ich sie hören konnte und ihre Stimme ganz normal klang, war ich mir nicht sicher gewesen, ob Jude nicht auch den Tränen nahe gewesen ist.
    »Denk einfach dran: du oder er.« Iz.
    »Keine Wahl. Kann jedem passiern.« Jude. Iz nickte zustimmend.
    Die U-Bahn kam mir irgendwie als ein Stück Heimat vor, wenigstens war es nicht Loisaida. Wir fuhren im Waggon mit dem Zugbegleiter, weil es dort immer am sichersten ist vor Gesindel und Rowdys. An der 125. raus ausm Zug, runter auf die Straße und Richtung heimatliches Viertel. Richtung uptown rasten jede Menge Armeetransporter und Polizeifahrzeuge mit Sirenengeheul; da schien wieder Ärger anzustehen.
    »Wollt ihr lieber bei mir knacken?« bot ich den beiden an, aber sie schüttelten den Kopf.
    »Kirche steht morgen an«, erklärte Iz.
    »Du auch nich, Jude?« fragte ich Jude noch einmal, in der Hoffnung, daß sie es sich anders überlegt hat, aber nicht, um mit ihr so ins Bett zu gehen wie mit Iz, sondern um mit ihr über irgendwas reden zu können.
    »Gracias, aber nein. Will allein sein.«
    Iz umarmte mich und gab mir einen Gutenachtkuß. Jude sah uns zu, als sei es ihr egal. Dann gingen sie Richtung oben, und ich blieb unten.
    Es war bereits halb elf, als ich daheim ankam. Boob und Mama schliefen bereits. Ich ließ mir eine heiße Badewanne einlaufen und wusch mich mit viel Seife am ganzen Leib ab. Gestern

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