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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Polizisten nennt. Bei Iz und ihrer Mutter kamen allerdings Grünärsche vorbei, rissen die Schubladen raus, warfen das Zeug aus den Schränken und machten jeden Reißverschluß auf, selbst an den Kissenbezügen. Die Hälfte des Geschirrs ging zu Bruch, weil sie es auf den Boden schmissen.
    »Habn sie euch direkt was Böses angetan?«
    »Mir und Mama nich, diesmal suchten sie bloß Kanonen. Und Junkies und Crackraucher.«
    Wir vermuten, sie wolln sicherstellen, daß dem neuen Präsidenten nix zustößt, aber da ihn am Montag keiner umgelegt hat, habn sie ihn wohl einfach ruhiggestellt, das funktioniert am besten. Ich fragte Iz, ob die Grünärsche auch leerstehende Gebäude filzten. Aber Iz verneinte: »Nö, die fackeln sie bloß ab.«
    »Judes Haus auch?«
    »Noch nich. Wenns soweit ist, kann sie bei uns wohnen.«
    Jetz, wos Iz gesagt hatte, merkte ich, daß mir die Augen brannten. Der Rauch kommt so verdünnt durch unsere Fenster, daß man ihn nich direkt sieht, aber seit ich weiß, daß er da ist, kann ich ihn nich mehr verdrängen. Draußen geht es laut zu, obwohl heute das erste Mal die U-Bahn nich fährt.
    In der Schule gab die Wisegarver bekannt, daß nächste Woche trotz allem die letzten Prüfungen stattfinden würden. Wir würden sicher unser Bestes geben, auch wenn es nicht einfach sei. Im Fernseh hieß es, sie glaubten, der alte Präsident sei heute eingegraben worden, aber wo, haben sie nicht gesagt.
     

22. Mai
    Freitag. Jude und Iz schlafen morgen bei mir, was heißt: Party die ganze Nacht. Lieber wärs mir ja, daß nur Iz käme, aber so sind wir wenigstens unter uns Mädels. Dann ne Woche Prüfungen, dann Schulschluß und dann Sommer.
    Wie gerne würde ich heuer irgendwo Urlaub machen, aber das geht nich, logisch. New York ist immer noch New York, bloß schlimmer denn je. Es hat sich alles so zugespitzt, daß es zugeht wie in Brooklyn, abgesehn davon, dasse noch keine Flieger und keine Panzer einsetzn. Unsere Zimmer sin jetz immer voller Rauch. Ich glaub, sie habn halb Harlem abgefackelt. Draußen isses seit zwei Tagen dunkel; der Rauch drückt so runter. Autos und Busse habn selbst am Mittag das Licht an. Boob und Mama husten die ganze Zeit und spucken ab und zu so schwarzes Zeug aus. Die Fenster halten wir geschlossen, wenns geht, aber am Abend muß man sie einfach aufmachen, weils so heiß geworden ist. Wegen der Hitze ist auch Pappis Computer abgestürzt. Selbst wenn er an was geschrieben hätte, wärn wir so pleite, daß er das Teil nich reparieren lassen könnte: Der Mann hat einfach kein Glück.
    Heute hat Mama das neue Geld von der Bank geholt. Es heißt immer noch Dollar, ist jetzt aber pink und blau und orange. Vorne ist die Mörderin Martha Graham drauf, hinten ein Adler. Hält man sie gegen das Licht, sieht man das Wasserzeichen, ein ›Smiley‹-Gesicht. »Das soll Geld sein, unser Geld?« fragte ich Mama, als Boob und ich das Zeug begutachteten. »Ja, ihr Süßen, das wenige, was wir haben.« Sie sagte außerdem, sie wisse nicht, was wir machen, falls sich die Preise nicht an dem neuen Geldwert orientierten. Ein neuer Dollar sei zehn alte wert, aber das soll sich nächste Woche schon wieder ändern.
    An der Börse herrscht praktisch Stillstand; heute wurde so gut wie nichts gehandelt.
     

24. Mai
    Heut ist Sonntag, und außer Pappi können sich alle ausruhn. Da jetzt die Zeit zum Lernen gekommen ist, kann ich nicht versprechen, daß ich dir vor nächstem Freitag wieder schreiben kann, aber ich probiers.
    Iz und Jude kamen gestern abend um halb acht, als es schon langsam dunkel wurde. Bevor sie auftauchten, nahm mich Mama zur Seite: »Ach, Liebes, wir haben so wenig Essen zu Hause. Ich mache mir solche Gewissensbisse, daß ich deine Freundinnen nicht anständig bewirten kann.«
    »Wir kommen schon klar.« Dabei wetzten Iz und Jude Mamas Scharte aus, Anne. Die beiden warn vorher noch zum Bunkern gegangen und brachten zwei Tüten mit Lebensmitteln mit, Käse, Brot, Milch, Klopapier und ne Menge anderes Zeug. »Wennse uns schon aufnehmen, müssn wir auch was beitragn«, sagte Jude, als sie die Einkäufe auspackte. Mama strahlte und umarmte die beiden: »Ihr Engel, das hätte es doch nicht gebraucht! Seid ihr sicher, daß ihr zu Hause genug habt?« Iz und Jude nickten nur und erklärten ihr, sie solle sich keine Gedanken machen. Was für gute Freundinnen ich habe, Anne, und Mama mag sie jetzt genauso gern wie ich.
    Wir stopften uns voll; sonst machten wir nich viel, nur n bißchen glotzn.

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