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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Urkunden des Alten Mannes, seine Ernennungen zum Ehrendoktor, seine geschäftlichen und persönlichen Trophäen, die Verdienstmedaillen der Regierung. Rechts vom Kaminsims war Mister Drydens erste Ehrenurkunde, die er im Jahr seines Universitätsabschlusses erhalten hatte: die Urkunde erklärte ihn zu einem der zehn herausragendsten jungen Männer Amerikas. Über dem Kamin hing das Porträt des Alten Mannes, gemalt, als er in Mister Drydens Alter gewesen war; abgesehen von der Farbe seines Haares sah er jetzt noch genauso aus. Gerahmte Fotografien standen auf dem Kaminsims. Sie zeigten den Alten Mann unter anderem mit der gegenwärtigen Zarin von Rußland und den letzten zehn amerikanischen Präsidenten, deren fünf von Attentätern ermordet worden waren, einer nach nur zwei Monaten im Amt. An der Wand gegenüber war sein Großbild-Fernsehmonitor. Zwischen den Fenstern befanden sich Reihen und Reihen abgegriffener Plattenalben, erhalten bis zum heutigen Tag. Gegenüber von seinem Schreibtisch waren drei schwarze Aktenschränke, die immer verschlossen waren. Sein Schreibtisch war für meinen Zweck hervorragend geeignet: die Platte war aus Holz, weder zu dick noch zu dünn; im mittleren Teil war er hoch genug, daß die Knie des Benutzers nicht die Sprengladung berührten, aber niedrig genug, daß nichts, was darunter angebracht war, gesehen werden konnte, solange man sich nicht tief genug bückte. Die Sprengwirkung würde auswärts und aufwärts am stärksten sein, wo der Alte Mann saß.
    Das Anbringen der Ladung war kinderleicht. Ich klebte den Plastiksprengstoff, der die Beschaffenheit von Knetmasse und genug Sprengkraft hatte, die Hälfte des Raumes in Trümmer zu legen, stellte den Zeitzünder auf dreizehn Uhr, wenn der Alte Mann nach Mister Drydens Auskunft allein im Arbeitszimmer sein würde, drückte die Zündkapsel mit den Kabeln hinein, und es war getan. Der Zeitzünder würde die Sprengung überleben; in seine Oberfläche hatte ich die Insignien der haitianischen Gruppe Kanonenschlag gekratzt. Barney, Biff und Scooter waren allesamt frühere Mitglieder dieser Terroristengruppe, mit dem üblichen Köder in Drydens Netz gelockt. Mister Dryden war der Meinung, daß sie als Hauswächter die perfekten Sündenböcke abgeben würden.
    Bevor ich das Arbeitszimmer verließ – es hatte mich keine fünf Minuten gekostet –, sah ich mir die Ablageschränke an. Auch sie waren stabil genug, die Sprengung zu überleben; was sie auch enthielten, es war hier gut aufgehoben. Hinterher, dachte ich, könnte ich endlich aufdecken, was der Alte Mann darin versteckte, und wie es ihm bei seinen Transaktionen zustatten kam. Ich hatte meine Vermutungen, wußte, daß der Alte Mann an dem Tag, als die Märkte zusammenbrachen, in Washington beim Präsidenten gewesen war. Stunden später war der Präsident bei einem Fluchtversuch aus seinem Hubschrauber gezogen und von der erbitterten Menge gelyncht worden. Nur der Alte Mann wußte, worüber sie gesprochen hatten. Ich hatte von Mister Dryden erfahren, daß in diesen Schränken Akten und Papiere waren, die er in Sicherheit gebracht hatte, während alles drunter und drüber gegangen war; Papiere, die er seither eifersüchtig gehütet hatte. Es würde Zeit genug sein, diese Dinge durchzusehen, dachte ich, und ließ sie einstweilen unberührt. Ich zog die Tür hinter mir zu, trat in den Korridor, hörte das leise Klicken des Schnappschlosses.
    Es dämmerte bereits; das Morgengrauen erhellte den Korridor im Umkreis des Treppenhauses. Als ich an Avalons Zimmer vorbeiging, bemerkte ich, daß die Tür offen war; ich sah hinein. Sie lag bäuchlings auf dem Bett, die Beine unter der Decke, das Hinterteil emporgewölbt. Einen Augenblick stand ich betroffen. Ich hatte sie ungezählte Male nackt gesehen, aber das Wissen, daß sie bald bei mir sein würde, und der in diesem Moment so unerwartete Anblick schnürten mir die Kehle zu. Ich trat ein und näherte mich leise dem Bett; ich kniete nieder, sah sie daliegen, hörte ihren Atem gehen, beobachtete ihre kaum merklichen Bewegungen, als sie träumte. Ihr Gebiß lag in einem Glas Wasser auf dem Nachttisch und grinste heraus. Langsam, behutsamer als ich mich daran gemacht hätte, einen Sprengsatz zu entschärfen, streckte ich die Hand aus; meine Finger zitterten, als sie sich der Mulde in ihrem Kreuz näherten. Aber ich konnte sie nicht anrühren, noch nicht; nicht wenn sie schlief, so vollkommen nichtsahnend und scheinbar hilflos. Es wäre einer

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