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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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ruhte.
    »Bleib einfach liegen«, sagte sie. »Ruh dich aus!«
    »In Ordnung. Es sollte nicht allzu lange dauern, dorthin zu gehen.«
    »Sei still«, sagte sie und streichelte mein Gesicht. »Du bist jetzt in Sicherheit. Sicher und ungestört.«
    Ich ruhte, und wenn es nur für ein paar Minuten war; mein Schmerz überwältigte mich. Die Fürsorgeschwester küßte mir die Augen zu. Freiheitsglocken läuteten.
     

10
    N ACHDEM ICH MICH E INIGERMASSEN ERHOLT und Avalon ausgeruht hatte, kletterten wir vom Bahnsteig wieder auf die Geleise hinunter und machten uns auf den Weg nach Süden, gingen aber auf der von den Zügen in Gegenrichtung befahrenen Strecke, um weniger leicht von einer fahrenden U-Bahn überrascht zu werden und dem entgleisten Zug auszuweichen. Er war noch an Ort und Stelle, als wir ihn passierten; wahrscheinlich hatte man seine Verspätung noch nicht bemerkt. Ein Stück weiter wechselten wir auf Avalons Bitte auf die südwärts befahrenen Geleise zurück, aber es gab nichts zu fürchten. Während wir dahinwanderten, kamen keine Züge in dieser oder jener Richtung vorbei.
    So marschierten wir Kilometer um Kilometer, stundenlang, wie es uns schien. Wo es möglich war, blieben wir auf den Bahnschwellen. Aus Enids Erzählungen wußte ich ungefähr, wo die Gottesdienste anfingen; kannte die alte Station East Broadway der aufgelassenen Linie F, die als Versammlungsort diente. Ich hoffte den Zeitpunkt unseres Erscheinens so einzurichten, daß wir ihren Gottesdienst nicht stören würden; denn Eindringlinge Unter dem Fels waren etwas, das keiner von ihnen schätzen würde.
    Unweit der alten Station Bleecker Street zweigten wir in den Tunnel der Linie F ab.
    »Bist du sicher, daß du weißt, wohin wir gehen?« schnaufte Avalon, während sie neben mir durch knöcheltiefes Wasser platschte.
    »Ganz sicher«, sagte ich. »Ich bin bloß noch nie hier unten gewesen. Muß es ein bißchen langsam angehen.«
    »Woher willst du dann wissen, wohin wir gehen?«
    Ich antwortete nicht; mein Kopf schmerzte noch immer, und in meinem Zustand erforderte es alle Konzentration, die ich aufbringen konnte, mich zu orientieren und den Marsch durchzuhalten. Im Tunnel war es so feuchtkalt, daß sich sogar die mein Gesicht streifende Luft schleimig anfühlte. Außerdem herrschte absolute Dunkelheit; ich verwahrte eine lange Stablampe in der Tasche, nahm sie heraus und ließ einen dünnen Lichtkegel in die Schwärze fallen. Wolken von Fledermäusen lösten sich von der Decke und flatterten umher; als wir vorbei waren, kamen sie wieder zur Ruhe. Guano lag dick auf den schlüpfrigen Geleisen. Wir wateten durch Wasserlachen; wenn wir hier auf die Schwellen traten, gab das verfaulende Holz schwammig unter den Schuhsohlen nach. Tropfendes Wasser hallte in jedem Winkel. Wir erreichten einen Abschnitt, wo die Seitenwand eingestürzt war und ihre Trümmer die Geleise verschüttet hatten.
    »Was nun?« fragte Avalon; ich half ihr hinüberklettern, tastete mich mit ihr über den feuchten, glitschigen Schutt. Auf der anderen Seite machten wir hinter einer Kurve flackernden Lichtschein aus und hörten Musik.
    »Das ist es«, sagte ich. »Komm mit!«
    Ein paar Schritte weiter bemerkte ich eine Tafel, die vom Tunneldach hing und richtete den Lichtkegel darauf. Sie trug eine aufgemalte Inschrift:
     
    Weint nicht, fürchtet nicht, wir sind gesegnet,
    Und im schwarzen Himmel wenden wir uns zu dir;
    Härtet euch immer ab, wo Müde ruhen,
    Wo die Bösen leiden. Kommt zu mir.
     
    »Was bedeutet es?« fragte Avalon.
    »S'ist bloß eine Drohung.« Ich schaltete meine Stablampe aus. Die Lautstärke der Musik nahm zu, als wir näherkamen; durch die verwirrenden Echos unterschied ich die Instrumente: Querflöten und Blockflöten, japanische Kotos und Trommeln. Die menschliche Stimme kam nur in der weltlichen Musik der Ambienten vor, wofür ich dankbar war.
    »Sei ganz still«, flüsterte ich. »Es dauert noch an. Wir müssen warten, bis sie fertig sind. Dann werden wir Enid suchen.«
    »Bist du sicher, daß sie da sein wird?«
    Ich nickte. Als wir näherkamen, sah ich, daß das Licht den Tunnel ein gutes Stück weit erhellte – es schien eine Art Fackelschein zu sein. Bevor wir die Kurve ganz durchschritten hatten, erhob sich aus der ungesehenen Menge ein laut widerhallender Schrei, und die Musik brach ab. Jemand begann mit tiefer Stimme zu sprechen. Näherschleichend, bestrebt, zu sehen, ohne gesehen zu werden, überblickte ich den Bahnsteig. Avalon, die

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