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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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mich auf die Beine. Der Waggon war um mehrere Grad nach rechts geneigt. »Komm mit! Wir würden hier stundenlang festsitzen. Hinten hinaus!«
    Wir zwangen die rückwärtige Tür auf und kletterten hinab auf die Schienen. Im schlechten Licht der Tunnelbeleuchtung lag die, an der die U-Bahn entgleist war. Wir gingen wieder in nördlicher Richtung und blieben auf den Schienen, wo es möglich war; der Laufgang an der linken Tunnelwand befand sich in einem Zustand fortgeschrittenen Verfalls, und wo die Schwellen aus den stillen Wasserlachen ragten, waren sie morsch und abgenutzt. Die noch intakten Lampen der Tunnelbeleuchtung und der weiche Schein von der alten Station voraus erhellten uns den Weg.
    »Welche Station ist das?« fragte sie.
    »Ich nehme an, es ist Dreiundzwanzigste.« An den Wänden des Tunnels standen die Namen der Besiegten, in längst vergangenen Tagen aufgesprüht und eingekratzt.
    »Die wird geschlossen sein, nicht?«
    »Ja. Aber wir können uns hinsetzen. Ausruhen.« U-Bahn-Eingänge waren nur an Zonengrenzen geöffnet, um bessere Kontrolle zu ermöglichen. Nach kurzer Zeit erreichten wir die Station und zogen uns auf den Bahnsteig – wenigstens annähernd; ich war so geschwächt, daß Avalon mir hinaufhelfen mußte. Selbst nachdem unsere Augen sich angepaßt hatten, war es schwierig, in dem trüben gelben Licht deutlich zu sehen. Die Wände der Station waren betupft mit einem Palimpsest von vierzig Jahren, Name über Name über Name. Die Treppe, die einst zur Straßenebene hinaufgeführt hatte, war mit Betonplatten verschlossen.
    »Laß deinen Kopf anschauen.«
    Als sie meine Kopfhaut berührte, dachte ich einen Augenblick, daß ich ohnmächtig würde.
    »Tut das weh?« sagte sie und zog mein Haar zurück. »Scheiße.«
    »Es tut«, sagte ich. »Was ist es?«
    »Du hast eine fünfzehn Zentimeter lange Platzwunde. Kein Wunder, daß es weh tut.«
    »Kannst du den Knochen sehen?«
    »Nein. Sie muß aber genäht werden.«
    »Gerinnt das Blut?«
    »Größtenteils.«
    »Dann wird es in Ordnung kommen. Ich habe Verbandstoff in der rechten Tasche. Hol ihn heraus.«
    Sie tat es und legte das Polster der Mullbinde mit leichtem Druck auf die Wunde. Mit einer Willensanstrengung blieb ich bei Bewußtsein. Sie wickelte die Binde als Verband um meinen Kopf, dann warf sie Enids farbenfrohe Jacke ab und zog ihren Pullover aus. Sie wickelte ihn mir um den Kopf und verknotete die Ärmel so miteinander, daß es nicht verrutschen konnte. Sie kicherte, als sie fertig war.
    »Was gibt es?«
    »Du siehst furchtbar blöd aus«, lachte sie. »Das wird vielleicht helfen. Es blutet nicht so stark.«
    »Ich habe schon Schlimmeres abbekommen.«
    »Das glaube ich dir«, sagte sie und setzte sich neben mich. Ihre Brustwarzen richteten sich in der kühlen Luft auf.
    »Zieh deine Jacke an«, sagte ich. »Du wirst dich erkälten.«
    »Ich würde lieber darauf sitzen«, sagte sie, »solange wir sitzen.« Sie nahm eine meiner Hände und legte sie sich an die Brust. »Das wird reichen.«
    Wir saßen auf dem schmutzigen Beton und kamen allmählich zur Ruhe. Der nächste Zug würde erst in einer Stunde vorbeikommen, wenn überhaupt – an Wochenenden wurde der Verkehr früher eingestellt. In den Tunnels war kein Geräusch als das unseres Atmens und das Tropfen von Wasser zu vernehmen.
    »Bin ich in letzter Zeit mehr wie sie geworden?« fragte ich.
    »Wovon redest du?«
    »Wie die Drydens. Meinst du, ich habe angefangen, mehr wie sie zu werden?«
    »Warum denkst du das?«
    »Ich weiß nicht. Es machte mir Sorgen.«
    »Könnte sein«, sagte sie. »Ich nehme an, jeder würde es, wenn er die Chance hätte.«
    Sie legte mir die Arme um die Mitte. Ich küßte sie, wir küßten uns eine scheinbar endlose Zeit, wahrscheinlich ein paar Sekunden lang.
    »Wo sollen wir heute nacht unterkommen, Schami?«
    »Ich glaube, Enid kann uns helfen.«
    »Werden sie die Wohnung nicht noch weiter überwachen?«
    »Sie wird nicht dort sein«, sagte ich. »Wir werden sie treffen müssen.«
    »Wo? Wenn wir zurückgehen …«
    »Wir werden nicht wieder auf die Straße gehen. Noch nicht. Wir bleiben im U-Bahn-Tunnel.«
    »Hier unten?«
    »Sie wird ungefähr vierzig Blocks stadteinwärts und drei Blocks drüben sein, ungefähr.«
    »Was sollte sie da unten tun?«
    »Zur Kirche gehen«, sagte ich.
    Sie sah mich an, schüttelte den Kopf und hob die Schultern. Sie legte sich zurück, zog mich sanft mit sich, bis ich mit dem Oberkörper zwischen ihren Beinen

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