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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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erreichte das höchste Gebäude nur zwanzig Stockwerke; Vorstadttürme erhoben sich aus allen Quadranten und stachen in den Himmel. Einige waren an den Spitzen bekreuzt, doch die meisten wurden von den offenen Kreisen gekrönt, die wir auch schon über den Türen der Hütten in den Bergen gesehen hatten.
    »Ist die Adresse kartographiert?« fragte John, als wir die Interstate-Abfahrt ins Stadtinnere herabfuhren. Wir hielten neben einem Piggly-Wiggly-Laden; ich war unsicher, was in einem solchermaßen benannten Geschäft verkauft werden könnte.
    »Wir sind akkurat gerichtet«, sagte ich, als ich den Atlas studierte. »Fahr rechts und dann irgendwann links. Wir müssen in die Alabama Avenue.«
    Zwölf Blocks lang fuhren wir eine baumlose Geschäftsstraße mit ein- und zweistöckigen Ziegelfassaden entlang, die Lebensmittelgeschäfte, Wäschereien und andere kleine Läden beherbergten. Die Stadtbevölkerung schien wie eingepudert; sie waren fast so farblos wie ich, obwohl die Sonne glühendheiß war. Auf halbem Weg glitten wir an einem fensterlosen beigefarbenen Neubau vorbei, der von Zäunen und blauuniformierten Wachen umgeben war. Ein armeegrüner Bus mit übermalten Fenstern und verriegelter Hintertür kam gerade aus der Ausfahrt, als wir vorbeibrausten. Auf der Seite stand in Schablonenschrift Abteilung für Rehabilitation Memphis.
    »Eine Besserungsanstalt, würde ich schätzen«, sagte John.
    Als wir das Schild Alabama Avenue sahen, bogen wir linkswärts auf das gefurchte Pflaster; vergilbtes Gras wuchs in den Rinnsteinen der Avenue. Weder Gehsteige noch Straßenlampen verliehen den Anschein der Kultiviertheit. Nach dem Zustand der Häuser zu urteilen, war keines in der Nachbarschaft jemals renoviert worden. Schrottautos parkten in öden Höfen; Kinder kletterten über ihre rostigen Karosserien und starrten uns nach, als wir vorbeirollten. John parkte unseren Wagen vor der Nummer 462, einem zweistöckigen Haus mit umlaufender Veranda: Farbe eiterte von den Brettern und schälte sich in langen trockenen Streifen ab; ein Fenster im oberen Stockwerk war mit braunem Papier geflickt. Die Regenrinnen hingen lose vom Dach herunter und waren mit nassen Blättern übergewichtig. Niemand zeigte sich, als wir ausstiegen und durch den schlammigen Vorgarten stapften; wir stiegen die morschen Stufen zur Veranda hinauf und sichteten vier zerbeulte Briefkästen.
    »Presley«, las ich. »Nummer zwei.«
    »Auf der Seite«, sagte John und sah um die Ecke. »Nach dir.« Wir traten vorsichtig auf, denn die Latten splitterten und knarrten unter unseren Schuhen. Die ungepflasterte Zufahrt war ohne Autos; Hunde bellten in der nächsten Straße. Die Luft war zum Schneiden dick. »Tür ist unverschlossen«, sagte er und berührte den Knauf. »Ich werde vorausgehen.«
    Mit seinen Fingerspitzen stieß er die Tür auf und erweiterte den Durchgang; gestikulierte mir wortlos, daß ich folgen sollte. Die Wohnzimmerwände der Presleys waren mit Zeitungsausschnitten aus dem Press-Scimitar tapeziert, die ihnen offenbar gleichzeitig als Bibliothek diente. Die Fenster standen offen und waren vorhanglos; Fliegen punkteten jede Oberfläche im Raum. Ein Durchgang führte in einen kurzen Flur, der mit ungeöffneten Kartons vollgestapelt war; dahinter zeigte sich die Küche. Ich entdeckte einen weißen Kühlschrank, der mit grauen und gelben Flecken gemustert war. Als er das Ende des Korridors erreichte, sprang John plötzlich von der Küche zurück und stieß gegen mich, als er seine Hände über den Kopf erhob.
    »Entschuldigung«, sagte er zu jemand Unsichtbarem. »Gefahr unbeabsichtigt.«
    »Wer sind Sie?« hörte ich einen jungen Mann sagen. »Wer? Ich will Sie sehen!«
    Ich folgte meinem Mann, als er die Küche betrat und über eine Frau stieg, die am Boden lag. Sie sah nach Gladys Presley aus; sie schien zu schlafen und trug etwas, das ich zuerst für eine rote Schürze über ihrem weißen Baumwollkleid hielt. Elvis hatte eine Pistole.
     

5
    Er ähnelte kaum dem Heiligenbild, mit dem wir vertraut waren. Wenn jemand volltrunken und mit nur einem verschwommenen Schnappschuß als Vorlage versuchen würde, die Gesichtszüge von Elvis mit einer Hand auf einem geschlechtslosen Passanten zu modellieren, hätte man mit Leichtigkeit das Aussehen des E dieser Welt treffen können. Sein Haar war gebürstet, und Strähnen schlängelten sich unter dem Gewicht der Feuchtigkeit nach unten. Akne pickelte sein Gesicht. E's rosa und schwarzer Blouson hatte

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