Ambient 05 - Elvissey
ich im Abstand von einigen Schritten hinterher. »Das ist doch was, oder? Wie sehr man sich auch immer anstrengt, es gibt einfach keinen Ausweg.«
»Wie geht es deiner Hand«, fragte ich, während ich ihm vom Gras in die zerbrechenden Zweige folgte. »Du müßtest hospitalisiert werden.«
»Bist du eine Krankenschwester?« fragte er. »Du hast mir doch erzählt, du wärst im Musikgeschäft.«
»Es gibt einen Ausweg für dich, Elvis«, sagte ich.
»Ich weiß nicht, ob ich geeignet bin, öffentlich aufzutreten«, sagte er.
»Wozu bist du geeignet?« Er schulterzuckte; sagte nichts. »Unsere Firma möchte, daß wir dich mitbringen. Zurück nach New York.«
»Ein bißchen spät dafür, glaube ich. Ich würde sagen, daß keiner von uns eine große Chance hat, nach New York zu kommen …«
»Ich sage, es gibt diese Chance.«
Als wir tiefer in den Wald eindrangen, schattierten die Zweige über uns das Mondlicht, verdunkelten unsere Schritte. Ich zog den Lichtstab aus meinem Haar und hielt ihn für die Benutzung bereit.
»Paß auf, wo du hintrittst. Ich wette, hier gibt es Schlangen«, sagte er. »Verstehe nicht, wie du behaupten kannst, wir könnten immer noch nach New York gehen. Selbst wenn sie dich nicht wegen Beihilfe belangen nach dem, was im Restaurant passiert ist, werden sie mich auf jeden Fall einlochen …«
»Willst du das?«
»Ich habe sie erschossen«, sagte er. »Irgend jemand muß dafür belangt werden.«
»Wir können dich da rausholen, wenn du tust, was wir möchten.«
Er nickte. »Das dachte ich mir. Ihr steckt also mit Gangstern unter einer Decke, nicht wahr?«
»Indirekt«, sagte ich. »Wir haben andere Wege, uns aus dieser Sache herauszuholen. Ich werde es dir zeigen. Entbinde John, gib mir deine Waffe, vertraue uns und tu, was wir sagen.«
Er lachte. Seine Erwähnung der Schlangen verstörte mich; ich drehte das Ende des Lichtstabs und stellte ihn auf die Stärke von Kerzenlicht ein. Dadurch ermöglichte ich Sicht und gleichzeitig nützliche Schatten, in denen ich meine Aktionen verbergen konnte.
»Was, zum Teufel, ist das für ein Ding?« fragte E, während er mit aufgerissenen Augen in den Schein starrte.
»Ich möchte gerne sehen, wohin ich gehe«, sagte ich. »Wie lautet deine Antwort?«
»Muß noch darüber nachdenken«, sagte er. »Was wird mit mir passieren, wenn wir nach New York kommen?«
»Unsere Firma wird dich vorbereiten. Gelegentlich wirst du singen und öffentliche Auftritte veranstalten. Dir wird Wohnung und Bezahlung gestellt.«
»Wieviel?«
»Was immer du brauchst«, sagte ich, »wirst du haben.« Mein Licht illuminierte einen kleinen Kreis um uns; ich lauschte auf das weiße Rauschen der Insekten und auf ein wiederholten Quaken, das ich für froschverursacht hielt, obwohl ich ihre Stimmen nur aus Aufzeichnungen kannte. E sagte nichts; ich bemerkte ein Licht über unseren Köpfen, das heller als Sterne oder der Mond war. Als ich durch die dichten Zweige starrte, sah ich drei Plasmaballungen über den Himmel ziehen, deren Ränder mit der Dunkelheit verschwammen; sie sanken tiefer und enthüllten ihre runde Form bei näherer Distanz.
»Gottheit«, sagte ich. »Das sind fliegende Untertassen …?«
»Ich habe dir doch gesagt, daß man sie hier in der Nähe testet«, sagte E. »Da sind sie.« Während wir zusahen, scherten sie plötzlich und lautlos linkswärts und verschwanden aus dem Blickfeld. »Habe nichts darauf erkannt. Du etwa?«
»Nein …«
»Deutsche«, sagte er. »Ich bin mir absolut sicher. Eines Tages wird alles herauskommen.« E blieb stehen und setzte sich auf einen windgestürzten Baum, nachdem er mit seinem Schuh eine Sitzfläche von Rinde und Moos freigekratzt hatte. »Du sagst also, daß du sogar unter diesen Umständen bereit bist, mich nach New York zu bringen?«
»Mehr als bereit«, sagte ich. »Du würdest doch gerne wieder singen, nicht war? In der Öffentlichkeit singen.«
»Das müßte ich?«
»Manchmal«, sagte ich. »Du hast gesagt, du hättest Blues gesungen?«
»Wenn man mich gelassen hat«, sagte er. »Mama sagte, ich würde nur wie ein Nigger klingen, wenn ich singe. Ich muß damit vorsichtig sein …«
»Eine weitere Einstellungsvoraussetzung«, sagte ich. »Benutze nicht dieses Wort.«
»Wie nennt ihr sie denn im Norden?«
»Menschen.«
»Das ist mir neu«, sagte er. »Verdammt, es ist doch nur ein Wort. Sie nannten sich selbst gegenseitig so, ich habe es früher gehört.«
»Es ist ein Wort wie Weißarsch«, sagte ich,
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