Ambient 05 - Elvissey
daß wir wirklich aus dieser Welt stammten. Ich verschränkte meine Arme um meinen Körper, fühlte mich kühl im Luftbackofen und war jetzt dankbar, daß meine Farbe für diese Reise entfernt worden war.
»Ich halte nicht viel davon«, sagte E und spielte mit seiner Waffe; ich hoffte, er hatte sie gesichert. »Teufel auch. Man kann den Fortschritt nicht aufhalten, oder?«
Während ich von den letzten Ruhestätten der Verschiedenen umringt dastand, wünschte ich mir nur, so schnell wie möglich heimzukehren und diesen Ort für immer zu verlassen. »Tu die Waffe weg«, sagte ich.
E nickte; sah auf meinen im Wagen liegenden Mann, keine zehn Meter entfernt. »Ich muß zuerst noch etwas erledigen.«
Bevor ich seine Absicht einschätzen konnte, ging E zu unserem Wagen; ich sah wortlos zu, wie er sich bückte und meinem Mann einen Schlag mit seiner Waffe versetzte. »Nein ! « schrie ich, lief zum Wagen und stieß E aus dem Weg. Ich schlüpfte in den Wagen, legte Johns blutenden Kopf in meinen Schoß und fingerkämmte sein Haar, bis ich die Quelle des Blutstroms fand. Ich drückte meine Hand gegen seine Kopfhaut und stillte die Blutung in Minuten. »Warum?« schrie ich E an; strich meinem Mann über das Gesicht und versuchte ihn aufzuwecken. Seine Atmung wurde gleichmäßig; er stöhnte, als tauchte er auf, bevor er wieder versank. Ich schaltete die Deckenlampe ein und flutete unseren Wagen mit Licht.
»Ich traue ihm nicht, er könnte vielleicht etwas versuchen«, sagte E. »Er wird's überstehen, macht dir keine Sorgen. So fest habe ich nicht zugeschlagen.«
»Andernfalls wirst du es bereuen«, sagte ich und schluckte meine Wut hinunter, bis sie durch meinen Bauch stach. »Du wirst über sehr bereuen.«
»Das tue ich für gewöhnlich«, sagte er und wich zurück. E ging hinüber an den Rand des Feldes und sah weg von den Gräbern in den Wald. Als der Mond aufging, sah er wie eine übergereifte Orange vor dem violetten Himmel aus, sein Gesicht war dasselbe, das er gewöhnlich auch über New York zeigte; hätten wir nicht soviel Zeit verbracht, das Gift der Interstates einzuatmen, hätte ich seine Farbe hier einfach für eine atmosphärische Laune gehalten. Ich wechselte auf den Vordersitz und zog den Lichtstab aus seiner Halterung. Als ich mich wieder neben meinen Mann zwängte, drehte ich das Ende des Stabes; seine Spitze glühte auf, während sie sich erhitzte. Ich zog seine Augenlider hoch und hielt den Stab direkt davor; seine Pupillen verengten sich im Licht, und ich war erleichtert, daß offenbar kein bleibender Schaden entstanden war. Ich schaltete den Stab aus und steckte ihn mir ins Haar, sobald er abgekühlt war, um nicht mehr zu verbrennen. Ich zog Johns Schuhe aus und massierte seine Ferse, bis ich die Sehnenschnur wieder einschnappen spürte. Er blieb bewußtlos, scheinbar schlafend; als ich keinen möglichen Ausweg sah und seinem Vertrauen in mich zu entsprechen wünschte, verdunkelte ich das Innere und ging, um mich wieder mit E zu befassen.
»Bist du immer so?« fragte ich, sobald ich ihn erreicht hatte. »So brutal und so dumm?«
»Sag nicht, daß ich dumm bin. Ich bin nicht dumm«, sagte er, brachte seine Drohungen aber nur verbal vor. Seine Waffe steckte im Gürtel, außerhalb meiner Reichweite. »Meine Mama hat gesagt, ich wäre dumm.«
»Noch ein Grund, warum du sie erschossen hast?« fragte er.
»Ich habe sie gebeten, damit aufzuhören.«
»Sie hat das schon vorher zu dir gesagt?«
»In letzter Zeit sehr oft«, sagte er. »Ich weiß nicht, alles ist vermasselt.«
»Schon immer?«
»Nein«, sagte er. »Wir sind einmal ziemlich gut miteinander ausgekommen. Als wir nach Memphis zogen, sah es so aus, als würde ausnahmsweise alles mal gut werden. Dann ging Daddy und wurde weggebracht. Hat alles versaut.« Er schwieg eine Weile; sah mich nicht an, während er weitersprach, so daß ich nicht in seinem Gesicht lesen konnte. Ob beabsichtigt oder zufällig, jedenfalls hielt er mich immer von der Waffe fern. »Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, Ma'am.«
»Isabel«, sagte ich.
»Ja«, sagte er. »Vielleicht hat sich dadurch gar nicht so viel verändert, sondern das Ganze nur beschleunigt. Wenn Mama traurig wurde, sagte sie mir immer, daß es niemals besser werden würde, daß eine schwarze Wolke über uns hängt. Das hat sie solange erzählt, bis ich es selber geglaubt habe.« Er sah mich an, aber seine Augen waren in der Dunkelheit unerkennbar. Als er zum Wald weiterzugehen begann, lief
Weitere Kostenlose Bücher