Ambler by Ambler
Rimmer, seine Frau, stammte aus Manchester und hatte in einer Baumwollspinnerei gearbeitet. Nach ihrer Heirat zogen sie nach Salford, wo ihre vier Kinder geboren wurden.
Gelegentlich, wenn sie glaubte, daß keine Kinder in Hörweite waren, redete sie ihn mit Fred an, seinem zweiten Vornamen. Ansonsten wurde er von ihr, wie von den Kindern, Pa genannt. Seinen ersten Vornamen, William, verwendete niemand. Er war eine stattliche Erscheinung mit funkelnden Augen, Spitzbart und der Gewohnheit, ein dröhnendes »Pah« von sich zu geben, wann immer sein Mißfallen erregt oder ihm widersprochen wurde. Er hatte auch etwas Dandyhaftes. In einer Zeit, da andere Angehörige seiner Klasse Sonntagsanzüge aus blauem oder schwarzem Serge besaßen und meistens eine Melone trugen, pflegte er einen grauen Anzug mit einer Perlennadel in der Krawatte und einen grauen Homburg zu tragen. Wenn er zur Kirche ging, trug Großmutter Ambler für sie beide die Gesangbücher, während er neben ihr her schlenderte und in seiner Hand einen Spazierstock mit Silberknauf schwang. Seine chronischen Schwächen waren Asthma, eine Vorliebe für Süßigkeiten (besonders beliebt war Lokum ) und ein unbeirrbarer Glaube, jene holprigen Gedichte, die er stapelweise schrieb, eines Tages veröffentlichen zu können. Politisch stand er dem radikalen Flügel der Liberalen nahe.
Mein Vater, das älteste Kind, wurde 1892 geboren und auf den Namen Alfred Percy getauft. Für die Salforder Familie war er immer nur Alf. Alle anderen, die ihn gut kannten, darunter auch meine Mutter, sagten Reg zu ihm. Er wuchs mit zwei verschiedenen Leben auf. Als Alf ging er in Salford auf ein Internat, sang im Kirchenchor auch Solopartien, ging dann als Zwölfjähriger von der Schule ab und arbeitete im Büro einer Brauerei am Ort. Gefördert von einem Pfarrer, einem in Manchester ausgebildeten Chorleiter und Organisten mit pädagogischen Neigungen, hatte er während all dieser Jahre Musik studieren können. Als Jugendlicher war er als Organist schon so bekannt, daß er von anderen Kirchen als Vertretung angefordert wurde. Bald verdiente er seine ersten Shilling als Klavierbegleiter und trat in den Clubs und Music-Halls von Manchester und Umgebung mit Grammophon-Geigen-Duetten auf. Später experimentierte er mit Marionetten, allerdings nicht mit diesen Puppen, die von oben mit Schnüren bewegt werden, sondern mit sogenannten »lebenden« Marionetten, die so funktionierten, daß Arme, Rumpf und Beine der Puppe mit dem Kopf eines lebendigen Schauspielers, von dessen Schulter die Puppe herabhing, zu einer Figur verschmolzen. In jener Zeit traten Zauberer oft auch als Marionettenspieler auf. Die erforderlichen Fertigkeiten ähnelten denjenigen eines Magiers. Alf, der auf der Bühne am Klavier saß, konnte von dort aus mühelos verfolgen, wie Marionetten funktionierten, oder sich Möglichkeiten ausdenken, wie man sie verbessern konnte. Obwohl er als Organist noch immer A. P. Ambler war, nannte er sich bei Konzerten mittlerweile Reg Ambler oder Reg Ambrose.
1903 zogen die meisten der Amblers von Salford nach London. Nur Charles, der zweite Sohn, der in Manchester eine gute Stelle gefunden hatte, kam nicht mit. Der Grund für den Umzug war, daß Fred Ambler bei Laboucheres ›Truth‹ in der Fleet Street eine Stelle angenommen hatte. Die Töchter, Cis und Dot, gingen zur Union Castle Line und fuhren als Stewardessen zur See. In der Walworth Road entdeckte mein Vater eine Kirche mit einem Pfarrer, der einen Organisten gebrauchen konnte. Von seiner Bude in Camberwell aus zog er los, sich den Londoner Akzent anzueignen und sich in der alten, halbprofessionellen Musikszene der Stadt London einen Namen zu machen. An die Stelle seines Brauereijobs trat ein besserer in der Reklameabteilung der Firma Westinghouse. Etwa zur Zeit seiner Heirat kündigte er dann bei Westinghouse und wechselte zu einer Firma mit dem klangvollen Namen Indiarubber, Guttapercha and Telegraph Works Ltd. über, die ihren Sitz in Silvertown hatte, gegenüber von Woolwich auf der anderen Seite der Themse.
Ich weiß, wie meine Mutter aussah, als meine Eltern sich kennenlernten, weil kurz nach ihrer ersten Begegnung ein Foto aufgenommen wurde. Die Umstände dieser Begegnung wurden aber nie restlos geklärt. Mit einem schmallippigen Lächeln hat meine Mutter »persönliche Fragen« der Kinder sich immer verbeten. Mein Vater war viel eher bereit, uns eine Antwort zu geben. Als er aber einmal sagte, sie hätten sich in
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