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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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In ihren blauen Windjacken leicht zitternd, packten die Besatzungsmitglieder je ein Ende der Aluminiumtrage und brachten den Toten unter Deck in die Heckkabine.
    Der gut zwölf Meter lange Culver Ultra Jet war kleiner als die Boote, die das Klinikpersonal beförderten. Und es war schneller: Mit seinen beiden 500-PS-Unterwasserdüsen konnte es die Strecke bis zum Klinikum in zehn Minuten zurücklegen. Einen Hubschrauber von der Langley Air Force Base oder der U.S. Naval Base anzufordern, landen zu lassen und zu beladen, hätte länger gedauert. Ambler blieb in der Nähe des Steuermannes, denn das Boot war das neue Militärmodell, und er wollte sicherstellen, dass er Antrieb und Steuerung bedienen konnte. Er beobachtete, wie der Pilot die Bug- und Heckdüsen verstellte und dann Vollgas gab. Das Boot kam nun hoch aus dem Wasser und machte gut fünfunddreißig Knoten.
    Das Übersetzen würde zehn Minuten dauern. Würde seine List so lange unentdeckt bleiben? Es war nicht schwierig gewesen, dafür zu sorgen, dass das Foto auf seinem Dienstausweis durch etwas Strandschlamm fleckig wurde, und Ambler wusste, dass die meisten Leute eher auf äußere Hinweise – Tonfall,
Auftreten, Verhalten – als auf Dokumente achteten. Nach einigen Minuten setzte er sich auf die Bank hinter dem Steuerruder zu dem Wachmann und dem Sanitäter.
    Der Sanitäter – Ende zwanzig, rot geflecktes Gesicht, lockiges schwarzes Haar – schien Amblers Gegenwart noch immer als kränkend zu empfinden. Schließlich wandte er sich an Ambler und sagte: »Mir hat kein Mensch was gesagt, dass die Leiche begleitet werden soll. Sie wissen, dass der Kerl tot ist, stimmt’s?« Ein Südstaatenakzent, der Sprecher gelangweilt und irritiert, vermutlich sauer, weil er losgeschickt worden war, um einen Patienten abzuholen, der bereits tot war.
    »Ist er das?« Ambler unterdrückte ein Gähnen oder tat zumindest so. Jesus, kann er nicht endlich damit aufhören?
    »Das will ich meinen! Ich hab ihn selbst untersucht. Also dürfte er wohl kaum verduften, stimmt’s?«
    Ambler erinnerte sich an die übereifrige Art des Mannes, dessen Dienstausweis er trug. Das war der Tonfall, den er anschlagen musste. »Bis der amtliche Leichenschein vorliegt, ist’s scheißegal, was Sie sagen. Auf Parrish darf ihn keiner ausstellen. Vorschrift ist nun mal Vorschrift.«
    »Alles Bockmist!«
    »Hör auf, ihn anzumotzen, Olson«, sagte der Wachmann. Das war nicht Solidarität, sondern ein Scherz. Aber dahinter steckte noch mehr. Ambler spürte, dass die beiden sich nicht sonderlich gut kannten und sich in Gesellschaft des anderen unwohl fühlten. Vermutlich lag hier ein klassisches ungelöstes Autoritätsproblem vor: Der Sanitäter tat gern so, als habe er zu befehlen, aber der Wachmann trug eben doch die Dienstwaffe.
    Ambler nickte dem Wachmann freundlich zu. Der andere war muskulös, Mitte zwanzig und trug einen militärischen Haarschnitt. Er schien ein ehemaliger Ranger der U.S. Army
zu sein; jedenfalls gehörte seine an der Hüfte getragene HK P7, eine kompakte, tödliche Pistole, seit Langem zu den Lieblingswaffen der Ranger. Er war als Einziger an Bord bewaffnet, aber Ambler merkte ihm an, dass er auch so ein harter Brocken war.
    »Wie auch immer«, sagte der Sanitäter nach einer Pause. Aber er stimmte dem Wachmann innerlich nicht zu, sondern fragte sich im Stillen: Was ist dein Problem?
    Als die drei wieder in ungeselliges Schweigen verfielen, gestattete Ambler sich, einen Anflug von Erleichterung zu empfinden.
    Das Boot war erst wenige Meilen von Parrish Island entfernt, als der Steuermann, der Kopfhörer trug, gestikulierte, um ihre Aufmerksamkeit zu erwecken, und den Deckenlautsprecher einschaltete. »Hier Fünf-Null-Fünf auf Parrish Island.« Die Stimme des Dispatchers klang aufgeregt. »Wir haben eine Fluchtsituation! Ein Insasse ist geflüchtet. Ich wiederhole: Wir haben eine Fluchtsituation.«
    Ambler spürte, wie seine Magennerven sich verkrampften. Er musste handeln, die Krise nutzen. Er sprang auf. »Jesus auf ’nem Floß!«, grunzte er.
    Der Lautsprecher knackte nochmals, dann sprach der Dispatcher weiter: »Cruiser 12-647-M, der Insasse kann sich auf Ihr Boot geflüchtet haben. Bitte sofort bestätigen oder das Gegenteil melden. Ich bleibe dran. «
    Der Wachmann musterte Ambler prüfend; in seinem Kopf begann ein Gedanke zu entstehen. Ich muss ihm zuvorkommen, ihm eine neue Richtung geben ...
    »Scheiße«, sagte Ambler. »Jetzt wisst ihr vermutlich, wozu ich

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