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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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ein, mitzuspielen.
    Aus dem Bürgersteig hebelten sie zusammen einen Pflasterstein und glätteten das Loch, das zurückblieb. Hansi Bleckede, mit sieben dreiviertel Jahren und fünf Tagen der Älteste, bestimmte, wie weit sich die Gruppe von dem Loch entfernt aufstellte. Anfangs hatte Emmerich noch etwas näher als die anderen am Loch stehendürfen, aber diese Zeiten waren vorbei, als sich zeigte, dass Emmerich für sein Alter nicht nur besonders viel zu wissen schien, sondern ebenfalls sehr geschickt war.
    Das Spiel begann. Der Einsatz war diesmal eine Tonmurmel von jedem der Teilnehmenden.
    Die Kinder kniffen ihre Augen zusammen, gingen in die Hocke, drehten sich ein wenig zur Seite und ließen schließlich, mal unter anerkennendem Pfeifen der anderen, mal unter lautem Gejohle ihre Murmeln in Richtung Loch kullern. Schwierig daran war, dass das Pflaster rundherum uneben war und man die Form und Lage der größten Erhebungen mitberechnen musste. Zwischen manchen Pflastersteinen hatten sich Kieselsteine und Erde gesammelt; das waren die gefährlichsten Stellen, denn flog die Murmel nicht darüber hinweg, sondern rollte bloß langsam, so lief sie Gefahr, darin stecken zu bleiben.
    An diesem Tag schien alles schiefzugehen. Das Spiel zog sich, und noch immer hatte keiner der Jungs seine Murmel ins Loch befördert. Den Mädchen war es sogleich gelungen, was sie sofort vom Spiel disqualifizierte. Beleidigt waren sie in den Hof hineingegangen und hatten Tante Lilli gefragt, ob sie mit dem Welpen spielen dürften, der neuerdings Hassos Hütte bewohnte.
    Heute ist sowieso kein guter Tag, um Murmeln zu tauschen, sagte Hansi, kurz bevor Emmerich ein zweites Mal warf.
    Das Spiel ist bloß eine Übung. Für den Ernstfall.
    Der Ernstfall sah vor, dass der Gewinner frei entscheiden konnte, ob er den Wetteinsatz kassieren wollte oder sich mit einem Tausch zufriedengab: eine seiner Murmelngegen eine wertvollere. Hansi hatte kaum zu Ende gesprochen, da traf Emmerichs Murmel mit einem lauten
Klock
direkt ins Loch.
    Doch, sagte Emmerich, heute ist wohl ein guter Tag. Meine Weiße gegen deine Grüne.
    Auf keinen Fall, sagte Hansi. Wir haben doch extra gesagt, wir werfen nur aus Spaß. Und eigentlich spielen wir gar nicht mit so Kleinen wie dir.
    Als Emmerich das hörte, stiegen ihm vor Wut die Tränen in die Augen. Damit die anderen es nicht bemerkten, rief er laut, dass der Leierkastenmann gerade um die Ecke komme. Er war es tatsächlich, aber ohne Leierkasten. Schwankend ging er die Straße hinunter, als sei er Matrose auf hoher See, inmitten eines der berüchtigten Stürme.
    Als die Kinder sich nach ihm umdrehten, flüsterte Emmerich Hansi etwas ins Ohr. Ohne dass die anderen es bemerkten, ließ Hansi daraufhin widerstrebend die grüne Murmel in Emmerichs schwitzige Hand gleiten.
    Vielleicht ist der Leierkastenmann krank, mutmaßte eines der kleineren Kinder.
    Oder er hat sich verirrt, riet ein anderes.
    So ein Quatsch, sagte da Hansi. Der ist besoffen. Kenn ich von meinem Onkel Egon. Aber jetzt habe ich keine Lust mehr zu spielen. Ich gehe nach Hause.
    Geh nicht, baten die Jüngeren. Du kriegst auch eine der Tonmurmeln aus dem Wetteinsatz.
    Ja, sagte Emmerich da. Und morgen spielen wir bei dir im Hof.
    Meinetwegen. Aber ich geh jetzt trotzdem.
    Die Kinder schauten ihm nach, wie er die Straße hinunterging und nach ein paar vertrockneten Pferdeäpfelntrat. Dann legten sie den Pflasterstein zurück ins Loch und stampften ihn fest.
     
    Die Nacht wurde das reinste Abenteuer. Emmerich würde sich noch Jahrzehnte später daran erinnern, wie mitten in der Nacht – er hatte schon längst geschlafen – das Sirenengeheul einsetzte, seine Mutter in sein Zimmer gestürzt kam, ihn hochriss und mit ihm in den Keller rannte.
    Auf der Treppe trafen sie Tante Agnes, Marian und die Großmutter, und während Tante Agnes immer wieder murmelte, dass es doch bloß eine Übung sei, zog Marian sie Stufe für Stufe weiter. Auch die Nachbarn waren aus den Wohnungen gekommen und eilten in den Keller.
    Das ist keine Übung, sagte ein älterer Junge, der auf Emmerich schon wie ein Erwachsener wirkte. Diesmal ist es keine Übung.
    Sei still, fuhr ihn seine Mutter an. Es war eng im Keller geworden. Das Geheul war von draußen noch immer zu hören, und gerade, als sich die Großmutter zu Lilli beugte und sagte, dass man doch aufs Land hätte fliehen sollen, da hörten sie eine Explosion, ganz in der Nähe, und es klang, als hätte es die Welt mitten

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