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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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Osten geschickt, unddas konnte nichts Gutes bedeuten, das wusste Lilli Mischa. Im Osten, so hörte sie ihre Nachbarinnen sagen, bestand der Boden aus einem nimmerendenden Morast, und wo man auch sein Lager aufschlug, wurde man überfallen von Bären, Wölfen oder den wilden Horden.
    Ihrem Sohn hatte sie nichts von alldem erzählt. Wenn er nachts zu seiner Mutter ins Bett schlüpfte und nach seinem Vater fragte, so sagte sie, Konrad Kasimir Mischa sei zwar in den Krieg gezogen, in Wirklichkeit würde er aber dafür sorgen, dass seine Familie eine bessere Zukunft hatte, und das sei doch ein ehrenhaftes Ziel.
    Eines Mittags saß Emmerich in der Küche und legte den Bernsteinanhänger seines Vaters vor sich auf den massiven Esstisch, den vor vielen Jahrzehnten sein Großvater getischlert hatte. Eine Hand tief in seiner Hosentasche verborgen, rührte Emmerich mit einem Silberlöffel in der Milchsuppe, die seine Großmutter Magda für ihn gekocht hatte. Die aufrechte, magere Frau mit schneeweißem Haar blickte immer wieder besorgt zu ihrer Schwiegertochter, die auf der Suche nach Konrads Namen die Zeitung studierte. Als diese endlich das Blatt zur Seite legte und den Kopf schüttelte, atmete Magda hörbar auf. Eine Hand fuhr hinauf zu dem geklöppelten Kragen ihrer Bluse, der sich bis weit über ihr schwarzes Kleid erstreckte, und kontrollierte seinen Sitz. Sie spürte Emmerichs Blick auf sich ruhen und fragte ihn, ob er sich vorstellen könne, auf dem Land zu wohnen.
    Weißt du, sagte sie, auf dem Land, wo wir herkommen, da gibt es einen Wald, der kein Ende hat, einen mächtigen Fluss und so viele Tiere und Kinder, wie du dir nur vorstellen kannst.
    Hat Vater eigentlich auch ein Gewehr?, fragte Emmerich ungeduldig und hörte für einen Moment damit auf, Grießnudeln auf den Rand seines Tellers zu stapeln und nur die Milch auszulöffeln.
    Ja, das hat er wohl, sagte Lilli Mischa schnell. Zu oft in den vergangenen Tagen hatte sie mit ihrer Schwiegermutter darüber diskutiert, ob man nicht aufs Land ziehen sollte, aber das kam für Lilli nicht in Frage.
    Wir sind hier doch sicher, pflegte sie zu sagen, und außerdem wäre dann die ganze Arbeit umsonst gewesen.
    Kurz nachdem Konrad in den Krieg gezogen war, hatten sich die drei Frauen entschlossen, die Mauer, die die beiden Wohnungsteile voneinander trennte, wieder einzureißen. Marian war nicht gefragt worden, und erstaunlicherweise kommentierte er das Fehlen der Mauer nicht weiter. Marian war ein sehr schweigsamer Mann geworden.
    Lilli Mischa nahm den Bernsteinanhänger in die Hand. Es war zu dunkel in der Küche, um etwas darin zu erkennen.
    Heute habe ich drei Stück gewonnen, sagte Emmerich plötzlich, als wolle er seine Mutter ablenken. Drei Stück!
    Er öffnete seine kleine Faust, die er die ganze Zeit eng umschlossen in der Hosentasche gehalten hatte, und heraus kullerten drei weiß-rot gefleckte Bohnen. Aber Lilli schien schon nicht mehr zuzuhören. Agnieszka war gerade nach Hause gekommen. Sie stand noch im Türrahmen, als sie von den Kellern anfing zu erzählen, die man überall in der Stadt ausbaute und verstärkte. Ob sie wüssten, was das heiße?
    Magda schlug ein Kreuz, und Emmerich ließ heimlichein paar Grießbrocken nach unten gleiten, wo die Katze um seine Beine strich.
     
    Nach seinem Mittagsschlaf kroch Emmerich aus seinem Bett und öffnete die Schublade seines Nachtschränkchens. Dort, in einem zusammengebauschten Schal, ruhte sein wertvollster Besitz: fünf Glasmurmeln. Drei davon hatte ihm seine Großmutter geschenkt, eine hatte er gefunden, und eine hatte er im Spiel gegen Hansi Bleckede gewonnen, wobei Hansi später behauptete, er haben den Kleinen ja bloß gewinnen lassen.
    Er legte die Murmeln in seine Tasche, fühlte nach, ob auch der Bernsteinanhänger sicher im Innern der Geheimtasche ruhte, und rief schließlich nach Tante Agnes – so, wie man es ihm beigebracht hatte. Manchmal fragte er sich, wer diese Agnieszka sei, von der seine Mutter ab und zu redete, aber immer, wenn sie diesen Namen erwähnte, korrigierte sie sich sofort und sagte: Agnes. Ungeduldig ließ er sich von Agnieszka seine Schuhe anziehen und einen Hut gegen die sengende Sonne aufsetzen, und ohne den Kuss seiner Mutter abzuwarten, rannte er das Treppenhaus hinunter zum Hof, wo einige Jungen bereits begonnen hatten, ihre Murmeln vorzuzeigen. Ein paar Mädchen standen an der Pforte und sahen interessiert herüber. Als die Jungs sie bemerkten, gingen sie auf sie zu und luden sie

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