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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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standen sie ja, vor einem der Fenster, unterhielten sich lautstark und gestikulierten. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich eine offene Haustür, vom Treppenaufgang würde man eine gute Sicht auf das Geschehen haben. Kröger machte sich auf den Weg.
    Bartosz war bereits in ein Fenster hineingestiegen, das sich von außen öffnen ließ. Rund um das Fenster herum lagen Glasscherben, Mörtelreste und Holzsplitter. Ein paar lose Bretter dienten als Verriegelung; bevor Bartosz hineingegangen war, hatte er daran geklopft, so gut es ging, hatte Renias Namen gerufen, und als keine Antwort gekommen war, hatte er endlich die Bretter herausgehebelt und ordentlich aufeinandergestapelt.
    Ausgeflogen, bemerkte Demoiselle Maya und zündetesich eine Zigarette an. Sie steckte den Kopf in den Raum, wo sich ein paar dünne Schaummatratzen, Decken und Kissen stapelten.
    Und bitte sag mir, dass das nicht wirklich euer Versteck ist. Sie zog an ihrer Zigarette. Zu unserer Zeit gab es dafür noch Hotels. Das hier ist ja erbärmlich. Hallo? Wo steckst du denn?
    Bartosz war an den Matratzen vorbeigegangen und in einem der hinteren Zimmer verschwunden. Seine Renia-Rufe waren bis auf die Straße hinaus zu hören, schließlich verstummten sie. Kurzentschlossen trat Demoiselle Maya ihre Zigarette mit dem Absatz aus und kletterte ebenfalls durch das Fenster in das Häuschen hinein. Kaum war ihr schwarzer Rock darin verschwunden, drang ein Kreischen aus dem Zimmer, und herausgeflogen kamen ein Dutzend Fledermäuse und – Demoiselle Maya. Sie kreischte noch, als sie sich schon längst wieder auf dem Rasen an der frischen Luft befand, raufte sich ihr Haar, und erst als endlich feststand, dass sich keine Fledermaus darin verfangen hatte, beruhigte sie sich wieder. Sie drehte sich mit dem Rücken zum Fenster und ordnete ihre Frisur. Auf ihrem Rock klebten Lehmbröckchen und Spinnweben, außerdem verteilten sich ein paar Schlieren über den Stoff, die eindeutig nach Fledermauskot aussahen, aber die sah Maya nicht. So beschäftigt war sie damit, ihren Dutt wiederherzustellen, dass sie nicht bemerkte, wie das Fenster hinter ihr erst Bartosz und dann Renia ausspuckte.
    Was machst
du
denn hier? Renia rieb sich die Augen, als hätten Bartosz und Maya sie aus tiefem Schlaf gerissen. Sie hatte sich eine alte Strickjacke mit Perlmuttknöpfen über die Schultern geworfen, außerdem einen mehrere Meter langen karmesinroten Wollschal. DemoiselleMaya ließ von ihren Haaren ab. Ihre rechte Augenbraue zuckte.
    Schätzchen. Was ich hier mache? Na, was glaubst du denn? Kannst du mir vielleicht verraten, was
du
hier machst?
    Eine Gruppe von
Myotis dasycneme
beobachten, sagte Renia und fuhr sich mit dem Zeigefinger unter der Nase entlang, als müsse sie eine herbe Enttäuschung verwinden. Teichfledermäuse. Jedenfalls bis eben gerade. Wir, sie hakte sich bei Bartosz unter, interessieren uns für Fledermäuse. Jedenfalls seitdem wir diese Kolonie hier gefunden haben. Wusstest du, dass es mehr als zwanzig verschiedene Arten in den Gewölben der Stadt –
    Sie ist verrückt geworden, sagte Maya leise zu dem Maulwurfshügel unter sich. Wie bedauerlich.
    Renia lachte. O nein. Eben nicht. Weißt du was? Ich kündige.

9.

    Eine Schneiderin hatte einst einen Sohn, der zwar jünger war als alle anderen Kinder, mit denen er im Hof und auf der Straße spielte, aber so klug, dass er sich stets einen Vorteil zu verschaffen wusste.
    Dabei maß Emmerich Mischa kaum mehr als einen Meter, hatte eine auffallend hohe Stirn und an den Schläfen zwei Mulden, die ganz danach aussahen, als hätte man ihn mit einer Zange aus dem Mutterleib befördert. Wer weiß, dachten die Mütter des Stadtviertels, wer weiß, was dabei mit seinem Gehirn geschehen war. Dass Emmerich zu Hause geboren worden war, mit keiner Hilfe außer der einer jungen Polin und vier Litern Tee aus Himbeerblättern, das weigerten sie sich zu glauben. Trotz der immer knapperen Lebensmittel rannte der kleine Mischa wie ein dickes Ferkelchen im Zickzack durch den Innenhof.
    Lilli Mischa, die ihre Nähmaschine am Fenster der Küche aufgestellt hatte, warf beim Ausbessern eines Faltenrocks oder dem Engernähen eines Wollmantels immer wieder einen Blick auf ihren Sohn, dessen Schopf mittlerweile von derselben dunklen Farbe war wie der seines Vaters. Heimlich verfluchte sie den Tag, an dem sich Konrad freiwillig zur Armee gemeldet hatte. Kaum dass er aus Skandinavien zurückgekehrt war, hatte man ihn an die Front im

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