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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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habe er ihn getroffen und die Dinge vorbereitet, die, wie er sich ausdrückte, nur Männer vorbereiten konnten.
    Bevor sie die Wohnung verlassen hatten, hatte Rokas uns am Küchentisch versammelt, uns angesehen und gesagt: Entweder wir wandern in den Knast, oder wir werden die neuen Helden dieser Stadt sein. Ihr werdet schon sehen. Endlich tut sich hier etwas. Die Menschen werden es uns danken. Denkt immer daran: Wir schlagen eine Brücke in die Vergangenheit! Hinterfragen das Antlitz dieser Stadt! Es muss gelingen, und mit eurer Hilfe wird es gelingen.
    Dann hatte er einen Zentimeter Wodka in unsere Teetassen gefüllt, und ich hatte noch immer gehofft,mich im letzten Moment aus der Sache raushalten zu können. Aber daraus wurde nichts.
    Auf dich, hatte Albina gesagt, auf dein Genie. Du erweckst die Stadt aus ihrem Dornröschenschlaf.
    Kurz danach hatte Rokas sich in meinem Zimmer umgezogen – sogar den Schnurrbart hatte er sich gewichst – und war vor uns losgegangen. Unten, an der Pforte, hatte Bartosz auf ihn gewartet, der sich bereit erklärt hatte, ihm beim Beladen des Lastwagens zu helfen. Bartosz, der leidenschaftlich schimpfen konnte über brotlose Kunst, wollte plötzlich Kopf und Kragen für sie riskieren.
    Es war offensichtlich, dass Renia ihn dazu überredet hatte. Die gleiche Macht, die sie über die Zuschauer im Varieté gehabt hatte, schien sie nun auf Bartosz auszuüben. Ich bedauerte und beneidete ihn zugleich.
     
    Die Häuserzeilen, die Rokas mit der Spiegelfolie verkleiden wollte, standen kaum einen Steinwurf voneinander entfernt. Das, sagte Rokas, sei wichtig für den Effekt. Mindestens genauso wichtig wie die Länge der Häuserzeile. Unter einem Dutzend Häuser könne man es genauso gut sein lassen, so eine Kleinigkeit, meinte er, würde sowieso niemand bemerken.
    Genau deshalb hättest du sie einweihen sollen, flüsterte ich. Sie alle: die Stadt, das Kulturamt, die Polizei, die Kunststudenten …
    Still, wisperte Renia. Hast du Rokas nicht zugehört? Das hat ja sogar Bartosz verstanden, als er
     
    mich küsste, im Licht der Straßenlaternen, erst wollte ich gar nicht, aber dann waren seine Hände so warm und sein Gesicht so nah, und dann berührten seine Lippen meine Lippen, und ich schloss die Augen. Er roch
ein bisschen nach Motoröl und auch ein bisschen nach Zedernholz, und ich war mir noch immer nicht sicher, ob es mir gefiel, da löste er sich von mir, und seine rechte Hand zeigte hinauf zum Himmel, schau, sagte er, dieser Sternenhimmel, den du da siehst, das ist höchstens der Schatten von dem, den man über der Arabischen Wüste sieht. Nachts nämlich glüht der Himmel vom Feuer der Sterne, die Milchstraße zieht sich wie ein brennendes Ölfeld über das Firmament, und selbst wenn man noch so müde ist oder noch so betrunken, das ist immer das Letzte, was man jeden Tag sieht.
    Und dann sagte er, dass das auch jetzt sein Trost sei, wenn er daran denke, dass Jarzèbiński diesen Himmel auch gesehen hat, am Abend, bevor es passierte, das wisse er genau, denn einige Zeit, nachdem es passiert war, habe einer seiner Kameraden Jarzèbińskis Kamera gefunden, eine teure Digital-Spiegelreflex, und was habe der fotografiert? Nichts als Vögel, den Sternenhimmel und Babylon, Babylon, überall Babylon und seine Ruinen, aber das letzte Foto, das sei ein Foto vom Sternenhimmel über der Wüste gewesen, und es sei ein gelungenes Foto, nicht so wie viele andere, Jarzèbiński sei kein besonders talentierter Fotograf gewesen.
    Ich wandte meinen Blick ab und sah Bartosz an, er hielt seinen Blick stur nach oben gerichtet, natürlich habe ich trotzdem gesehen, dass seine Augen schimmerten und glänzten, und das bestimmt nicht bloß vom Feuer der Sterne über Nordpolen, nein, und so versuchte ich abzulenken und fragte, was denn mit diesem Jarzèbiński bloß geschehen war, aber das war genau die falsche oder genau die richtige Frage. Bartosz packte mich an der Hand, und wir gingen die Straße hinunter, in Richtung seiner Wohnung, da dachte ich noch, o
nein, so nicht, mein Lieber, so leicht bin ich nicht zu haben, sagte ihm, das mir das alles zu schnell gehe, aber er antwortete nicht, sondern drückte bloß stumm meine Hand, und als wir vor seiner Tür angekommen waren, fragte er mich, ob ich ihm einen Gefallen tun könne, das hier, sagte er, sei so wichtig wie kaum etwas, hier gehe es nämlich um sein Leben, oder genauer: um das Leben eines Kameraden, oder noch genauer: um seinen Tod.
    So verzweifelt sah

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