Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
Vom Netzwerk:
er aus, so müde, dass ich wirklich mit ihm in seine Wohnung ging, ich ahnte schon, was er wollte, und als wir oben waren, setzte ich mich auf sein Sofa und versuchte, mich nicht umzusehen. Das war das erste Mal, dass er mich flehentlich bat, die Augen zu schließen und mich auf Jarzèbiński zu konzentrieren.
    Bartosz hielt meine Hände fest in seinen, aber ich nahm sie ihm weg und sagte, dass es so nicht funktioniere, ich sei zu müde, und konzentrieren könne ich mich auch nicht, wenn er mir gegenübersitze. Da stand er auf und trat aus dem Zimmer. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, lehnte ich mich zurück und wiederholte diesen Namen, immer wieder Jarzèbiński, bis ich nichts sah als Sand, überall Sand, eine körnige, gelbe Fläche, wie im Sommer die Felder von Dydów, die Sonne hoch am Himmel, die alles verbrannte und nichts Lebendiges zurückließ.
    Von draußen, von der Welt, war nichts mehr zu hören als ein leises Rauschen, ein Schäumen, und das Rauschen drang in meinen Kopf und wurde zu Stille, und die Stille wurde zu einem Strudel, und aus dem Strudel erklang plötzlich eine Stimme von weit her. Als ich meine Augen wieder öffnete und mich nach hinten auf die Kissen sacken ließ, kauerte Bartosz über mir, und seine Tränen fielen auf mein Gesicht, und ich, ich
wünschte mich einfach nur fort, hoch hinauf in die Lüfte, wo die Fledermäuse kreuzten, und bevor ich einschlief, stellte ich mir vor, sie kämen und nähmen mich mit hinauf in die Wolke, die über der Stadt schwebt, hinauf, wo alles hingeht, was vergangen ist.
     
    Da hinten ist er ja, sagte Albina. Ich atmete kurz durch. Im Dunkel der Gasse näherte sich eine Gestalt. Rokas richtete den Kegel seiner Taschenlampe auf ihr Gesicht. Es war Bartosz, abwehrend hob er seinen Arm.
    Der Typ ist echt in Ordnung, sagte er und zeigte auf Rokas. Aber nach einem größeren Spinner müsse man lange suchen. Nicht mal Jarz… – er stockte. Sein Blick ging in die Ferne, das Lächeln entglitt ihm.
    Ist schon gut, sagte ich. Heute Nacht ist das hier unsere Aufgabe. Zur Belohnung wird in zwei Wochen gefeiert. Du weißt schon. Ich hab doch Geburtstag.
    Gut, sagte er so leise er konnte. Dann konzentrier dich mal besser.
    Wir sind extrem konzentriert, sagte ich, und Renia nickte. Sie wirkte tatsächlich weniger zerstreut als sonst.
    Seid ihr bereit?, fragte Rokas. Die anderen bejahten, ich schwieg.
    Heute Nacht noch werden wir diese Stadt verwandeln. Und sei es nur ein kleiner Teil von ihr. Bei Tagesanbruch wird die Stadt genau hier, an dieser Stelle, auf die Unendlichkeit blicken, dann nämlich gebe es nur noch Reflektion und nichts mehr, was wirklich sei.
    Der Plan sah wie folgt aus: die unteren Rahmen würde man anbringen, soweit es ging, dann käme die Hebebühne ins Spiel, die ein paar Ecken weiter parke. Die würde man brauchen für die obersten Holzleisten, die an den Regenrinnen oder am Gesimse befestigt würden.Der Transporter mit der Folie und allem anderen sei ebenfalls dort. Im übrigen müsse man sich beeilen, seine Bekannten hätten nicht die ganze Nacht Zeit.
    Eine Gruppe von Männern stand neben den Fahrzeugen und rauchte. Sie waren zu viert oder zu fünft, aber ihre Größe und Körpermasse ließ sie wie ein ganzer Pulk erscheinen, dem man besser nicht in die Quere kam. Als die Männer uns sahen, schnippten sie wortlos ihre Zigaretten fort, zwei von ihnen stiegen in den Laster, die anderen ließen sich von Rokas ein paar Scheine in die Hand drücken. Fünfhundert Zƚoty? Tausend Zƚoty? Es war zu dunkel, um es zu erkennen. So oder so war es eine Menge Geld, kein Wunder, dass Rokas danach blank war. Auch die Geduld seines Sponsors hatte Grenzen.
    Wie Rokas uns erklärte, würden sich die Männer, wenn sie den Laster vor der ersten Fassade abgestellt hätten, an den vielbefahrenen Straßenkreuzungen postieren und dafür sorgen, dass weder Passanten noch Stadtpolizei durchkämen. Bartosz bedauerte, nicht für dieselbe Aufgabe eingeteilt worden zu sein. Leute fernzuhalten sei schließlich sein Spezialgebiet, wenn er etwas könne, dann doch …
    Ruhig jetzt! Rokas faltete die Hände in Brusthöhe und sagte, dass wir kaum drei, vier Stunden Zeit hätten, um die beiden Fassaden zu verschalen, viel mehr Geduld und Disziplin würde er seinen Bekannten nämlich nicht zutrauen. Ihn, Bartosz, würde er für die Arbeit auf der Hebebühne brauchen. Jetzt müsse er außerdem den Transporter fahren – außer, eine der Damen erkläre sich bereit?

Weitere Kostenlose Bücher