Ambra
rutschte nach vorne auf die Kante und fing an, an der Seitentasche seines Mantels zu nesteln, so lange, bis er einen Batzen dreckigen, verkrümelten Zeitungspapiers herausgezogen hatte.
Soll das ein Witz sein? Arkadiusz hatte die Szenerie aus dem Augenwinkel mitverfolgt und fragte, ob man sich über uns lustig machen würde. Das, guter Freund, informierte er unseren Kunden, ist ein seriöses Geschäft. Anscheinend verwechseln Sie da was.
Was denn, sagte der Mann und drehte sich zu Arkadiusz. Ich dachte, das hier ist eine Pfandleihe? Man bringt Sachen und kriegt Geld dafür, oder etwa nicht?
Schon gut, schon gut. Natürlich. Mit spitzen Fingern begann Bartosz, den Batzen zu sezieren. Ich beugte mich ebenfalls über das Papier und überlegte, ob ich dem Mann erklären sollte, dass das meiste, was die Leute uns präsentierten, sauber und geputzt und so gut hergerichtet wie möglich war, also: nicht direkt aus der Wand, was auch immer das heißen mochte. Ich ließ es. Er tat mir leid, wie er dastand mit seinem kahlrasierten Schädelund dem Mantel, der schlaff an ihm herunterhing. Es gab Kunden, bei denen klar war, dass ich sie betreuen würde – grundsätzlich alle älteren Damen und Herren –, und dann gab es Typen, die in Bartosz’ Bereich fielen, und der hier gehörte ganz klar zu letzteren. Was unseren Sachverstand anging, so hatten wir uns in den letzten Wochen in etwa angenähert; Bartosz hatte versucht, so viel wie möglich vom Wesen und Funktionieren einer Pfandleihe in meinen Schädel hineinzubekommen, und ich hatte ihn so oft wie möglich getriezt mit Gelb-, Rot- und Weißgoldproben, einer kleinen Haken-, Karabiner- und Schnappverschlusskunde, alles, was ich über Schmuck wusste, das ganze Wissen, das mir meine Mutter mit ihrer kleinen Schatulle vererbt hatte. Natürlich half es sehr, dass Arkadiusz mehrmals die Woche bei uns vorbeischaute und einige der Wertgegenstände schätzte. Ohne ihn hätten wir häufig danebengelegen.
So sehr ich versucht hatte, Bartosz vom Gegenteil zu überzeugen, wollte er in den meisten Fällen keinen Bernsteinschmuck annehmen. Alles Reden hatte keinen Sinn. Ich konnte ihm zehnmal erklären, wie wertvoll der Stein einst gewesen war, ihm schildern, dass man geglaubt hatte, er entstamme dem Schatz der Götter oder wenigstens dem Inneren der Wale, und überhaupt komme es auf die Ausführung und das Alter der Gegenstände an – es blieb sinnlos. Bartosz bestand darauf: Hier, an diesem Ort, war Bernstein kaum etwas wert – es sei denn, hatte er hinzugefügt, es handle sich um einen Klunker wie meinen, in so einem Fall könne man eventuell eine Ausnahme machen. Das Collier, das Arkadiusz gerade untersuchte, war eine dieser seltenen Ausnahmen. Mit meinem Bernstein, hatte ich ihn gleich informiert, war es trotzdem nicht zu vergleichen, so einengebe es nämlich nur einmal, diese Spinne, sagte ich ihm, spinne noch nach ihrem Tod weiter: Geschichten nämlich. Bartosz hatte mich daraufhin ausgelacht und gesagt, von allen schrägen Vögeln, die in die Pfandleihe kämen, sei ich mit Abstand der schrägste.
Was ist denn das? Ein angelaufenes Amulett war aus dem feuchten Papier in Bartosz’ Hand geglitten.
Deutsch ist es jedenfalls nicht, sagte der Mann. Deutsch ist es auf keinen Fall, sehen Sie, die Buchstaben da?
Bartosz und ich beugten uns über das Amulett, – erkannten aber nichts außer stark angelaufenem Silber mit einigen Schnörkeln und filigranen Verzierungen. Arkadiusz war hinter seinem Schreibtisch hervorgekommen und versuchte zwischen unseren Köpfen einen Blick auf das Objekt zu werfen.
Wie kommen Sie darauf, dass es sich um eine Schrift handelt?
Bartosz holte aus einer Schublade ein Silberputztuch hervor und rieb es über die Oberfläche des Anhängers. Einzig der ganz oberflächliche Staub ließ sich abtragen, tiefere Verschmutzungen blieben kleben. Bartosz rieb sich die Augen, murmelte, dass er vielleicht doch irgendwann eine Brille brauche, aber bevor Arkadiusz nach dem Anhänger greifen konnte, nahm ich ihn vom Tablett. Ich hauchte ihn an und fuhr mit dem Daumennagel darüber. Ich stutzte. Der Mann hatte recht.
Hebräische Schriftzeichen, sagte ich. Vielleicht ist es aus Silber, vielleicht auch nicht.
Hebräisch?, fragte Arkadiusz und riss mir das Amulett aus der Hand.
Tatsächlich. Und wo, sagen Sie, haben Sie das her?
Der Mann wiederholte, dass er es gefunden habe, vor ein paar Tagen, als er eine Wand bei sich zu Hause eingerissenhabe, nämlich die Wand
Weitere Kostenlose Bücher