Ambra
zu sprechen? Mehr als unklug sei das, er selber kenne da nämlich viele Leute, die nichtübel Lust hätten, Polacken und Leuten, die sich mit ihnen abgeben, ordentlich eins aufs –
Marians Faust hinterließ einen etwa fünf Zentimeter großen blauen Fleck auf Konrads rechter Wange, der erst nach zwei Wochen abheilte. Seine Wut aber besaß eine so durchschlagende Wucht, dass die Schranktür, auf der Konrad gelandet war, in zwei beinahe gleich große Stücke zerbrach. Regungslos blieb Konrad liegen und betrachtete verblüfft seinen Bruder. In seinen Blick trat plötzlich so etwas wie Respekt, und dann, als er ihn musterte, wie er dastand im Gegenlicht, so etwas wie eine Ahnung. Ein Summen setzte ein, aber das hätte auch der Aufprall sein können, auch das Flirren vor seinen Augen war wahrscheinlich vom Schlag verursacht worden.
Wir werden die Wohnung aufteilen, sagte Marian, plötzlich. Bei Agnieszkas Eltern können wir nicht länger bleiben.
Wenige Tage nach der Beerdigung fragte Marian seinen Freund Leo Fidlerowski, einen Klempner und Maurer, wie die Wohnung am besten zu halbieren sei. Magda wurde gesagt, dass sie zusammen mit Marian in der größeren Hälfte wohnen würde und Konrad dafür den Teil der Wohnung bekäme, der heller war. Magda weigerte sich, beschimpfte ihre Söhne auf Deutsch, flehte sie an auf Polnisch, und als alles nicht half, schloss sie sich in einem der Zimmer ein. Sie sei zu alt zum Streiten, beschloss sie, aber nicht zu alt, um zu protestieren.
Nach Fidlerowskis Inspektion wurden drei Tragen mit Backsteinen die Treppe hinaufgewuchtet und im Flur ausgeladen. Eine Mauer würde eingerissen, zwei neue gezogen werden, dann gäbe es zwei voneinander unabhängige Wohnungen, die sich lediglich den Eingangsbereichund die Küche teilten. Kurze Zeit später wurde mit den Bauarbeiten begonnen. Magda Mischa – oder Mysza, wie sie noch immer vorzog, ihren Namen zu schreiben – hielt sich die Ohren zu, als die Männer begannen, die Wand des kleinen Kinderzimmers einzureißen, das zu einem Wohnzimmer werden sollte, und verfluchte ihre eigene Langlebigkeit.
Wie einer von Konrads politischen Witzen klang das Ganze: dass die eine Hälfte der Wohnung die polnische, die andere die deutsche sei.
Das ganze Gerede von einer Entscheidung, deutsch, polnisch … Wie soll das eine arme Wohnung können, wenn sich nicht einmal unsere Stadt entscheiden kann?
Sie hat sich längst entschieden, Mutter, sagte Konrad, und trug ihren Koffer in den Teil der Wohnung, in dem sie fortan leben würde.
Ich habe dir doch neulich erst aus der Zeitung vorgelesen. Erinnerst du dich auch, was ich dir über unseren Namen sagte? Denk daran, wenn ihr ein Namensschild irgendwo anbringt. Und erzähl nicht so viel bei den Nachbarn herum.
Als die Mauer etwa einen halben Meter hoch war, schmiss Konrad Marian ein paar Pantoffeln hinüber, die er neben dem Ofen gefunden hatte. Die müssten auch nicht mehr da herumliegen, zusammen mit den ganzen anderen Dingen, die Marian immer überall verloren habe, zu einer polnischen Wirtschaft sei diese Wohnung in der Vergangenheit verkommen, jawohl!
Wenn das so ist, dann kannst du mir ja auch gleich meinen Bernstein wiedergeben. Den habe ich übrigens nicht verloren, der wurde mir geklaut, falls du dich erinnerst.
Ohne sich umzudrehen blieb Konrad stehen. Bernstein?Keine Ahnung, wovon du redest. Meinst du den Anhänger, mit dem du immer umhergerannt bist, bis alle dachten, du seiest ein Mädchen?
Als am Nachmittag Leo Fidlerowski vorbeikam, um zu helfen, wunderte er sich, wie weit die beiden Brüder gekommen waren und wie dick und stabil die Wand war, die sie erbaut hatten.
Hör mal, sagte er zu Marian, als er Konrad außer Hörweite wähnte: Du machst mir Konkurrenz. Warst du schon immer so ein begabter Maurer?
Marian schüttelte den Kopf und erwiderte, dass sich die Zeiten nun mal ändern würden, und in Zeiten wie diesen müsse man eben besonders findig sein. Das schien Fidlerowski nachdenklich zu stimmen, denn plötzlich ließ er seine Maurerkelle sinken und hörte auf, Mörtel aufzutragen.
Wir sind doch Freunde, nicht wahr, fing er plötzlich an, leise. Marian nickte.
Ich habe da etwas eingemauert, in meine Schlafzimmerwand. Ich will, dass du darüber Bescheid weißt. Nur für den Fall der Fälle.
Am Anfang ging es in der Pfandleihe zu wie in einem Taubenschlag. Mehrmals am Tag schauten Mario, Przemek und die anderen bei uns vorbei, um sich einen Kaffee, ein paar Kekse oder ein
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