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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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sie es auf das Bett im Schlafzimmer und krümmte sich dort zusammen. Auf Konrads Nachttischchen stand sein Foto, und darunter, sorgfältig aufgebahrt, befand sich sein Bernsteinanhänger, den er zu Hause gelassen hatte. Lilli schloss die Augen.
    Es war ein kalter Tag im Vorfrühling gewesen, als Konrad seine Uniform angezogen und seiner Frau erklärt hatte, dass es seine ehrenvolle Pflicht sei, für das Vaterland zu kämpfen.
    Aber, hatte Lilli verwundert gefragt, was hat Skandinavien uns denn getan?
    Heimlich beneidete sie Marian um dessen angebliche Sehschwäche. Nächtelang konnte sie nicht schlafen bei dem Gedanken, dass, während ihr Mann gegen die Wikinger kämpfte, Marian vergnügt neben seiner Frau im Bett lag und sich erholte für einen weiteren Arbeitstag auf der Werft.
    Mit großen Augen starrte Lene auf den wässrigen Fleck, der sich auf dem Laken ausbreitete, und als Lilli bemerkte, wie blass das Mädchen war, schickte sie es nach Hause.
    Du hilfst mir jetzt auch nicht weiter, sagte sie noch, aber kaum dass die Schritte des Mädchens auf der Treppe verklungen waren, bereute sie schon, es fortgeschickt zu haben. So nah wie möglich legte sie ihren Kopf an die Wand und horchte, ob Agnieszka vielleicht gerade in der Wohnung nebenan wirtschaftete, oder, wie so häufig in der letzten Zeit, in der Kirche war. Die Wand war etwas dünner als die anderen Wände in der Wohnung, und oft konnte man genau hören, ob drüben geredet, geputzt oder Radio gehört wurde. Aber jetzt herrschte Stille. Lilli wurde heiß. Sie spürte, wie sich ein paar Schweißtropfen auf ihrer Stirn bildeten, und fuhrmit dem Deckchen, das ihr Nachttischchen zierte, über ihr Gesicht. Es hinterließ einen Geruch auf ihrer Haut, von dem ihr übel wurde.
    Ihr schwindelte, aber anstatt das Bewusstsein zu verlieren, sah sie plötzlich den letzten Abend im August vor sich, erinnerte sich daran, wie blau die Nacht und wie warm die Luft gewesen waren, Konrad war bei ihr gewesen, draußen in der Kastanie hatten sich die Glühwürmchen getummelt, Konrads Haut hatte nach Lärchenholz geduftet, und kurz bevor sie eingeschlafen war, hatte Lilli gewusst, dass sie einen Sohn gebären würde. Aber dann, wenige Stunden später, war etwas Merkwürdiges geschehen: Ein entferntes Heulen war durch die Stadt gegangen, außerdem etwas, das wie Kanonenschüsse klang, und schließlich hatten Blitze die Dämmerung erhellt.
    Was ist das?, hatte Lilli gefragt und Konrads Augen in der Dunkelheit glänzen sehen.
    Das, hatte Konrad gesagt, sind Schiffsgeschütze, und wenn das Schiffsgeschütze sind, dann ist das der Krieg.
     
    Als Lilli jemanden die Nachbarswohnung betreten hörte, öffnete sie die Augen, ballte ihre Hand zur Faust und klopfte so stark sie konnte gegen die Wand. Drüben blieb es still, nicht einmal die Dielen quietschten, wie sie es immer taten, wenn man einen Schritt auf sie setzte oder auch nur sein Gewicht verlagerte. Stille. Lilli klopfte noch einmal, diesmal etwas lauter und etwas länger.
    Was ist?, hörte sie plötzlich Agnieszkas Stimme, ganz nah an der Wand. Lillis Mund war trocken, sie konnte kaum schlucken.
    Hilf mir, antwortete sie, und erst einen Moment später bemerkte sie, dass sie es auf Polnisch gesagt hatte.
    Agnieszka kam sofort herüber. Die Haare hatte sieschnell nach oben gesteckt, und über ihr ärmelloses Hauskleid hatte sie eine dünne graue Strickjacke gezogen. Als sie Lilli auf dem Bett liegen sah, drehte sie noch auf der Türschwelle um und holte eine Schüssel heißes Wasser und einen Stoß frische Handtücher.
    Meine Mutter hat all meine Geschwister zu Hause zur Welt gebracht, sagte sie. Sie mied Lillis Blick, als schämte sie sich für ihre blasse Haut und ihre Augenringe. Seit Monaten fürchtete sie sich, allein auf die Straße zu gehen, und wartete ängstlich jedes Schichtende ihres Mannes ab, um ihn unten im Hof zu empfangen. Wenn die beiden glaubten, dass jemand sie hören könnte, sprachen sie deutsch miteinander und richteten ihre Rücken besonders gerade auf. Über Marians Bruder hatten sie kein Wort verloren, seit er in den Krieg gezogen war, und die beiden Frauen senkten den Blick, wenn sie einander im Flur begegneten, nur gelegentlich legten sie einander einen Beutel mit Eiern oder einen Kohlkopf vor die Tür.
    Lilli überlegte, wann sie zum letzten Mal mit Agnieszka gesprochen hatte. Es musste kurz nach der Eintragung der Myszas in die Volksliste gewesen sein. Sie vermutete, dass man Marian gezwungen hatte zu

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