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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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es so aus, als wolle er einen Scherz machen, Renias Lachen hatte ihn aufgeheitert. Dann aber rutschte sein Lächeln ab, sein Blick gefror, und er schien nicht mehr wahrzunehmen, was er im Rückspiegel sah. Nervös trommelte er mit seiner linken Hand auf das Lenkrad und riss mehrmals seinen Kopf so stark zur Seite, dass es laut hörbar knackte. Wenigstens an diesem Tag, an diesem einen Tag, nahm ich mir vor, ihn in Ruhe zu lassen,ihn auf rein gar nichts anzusprechen. Ich war schließlich nicht seine Mutter.
    Kurz vor der Ankunft war es so heiß im Auto geworden, dass Renia verkündete, irgendjemand müsse heute noch im Meer baden, und das sei ganz bestimmt einer von den anwesenden Herren. Bartosz tat entrüstet und fragte, ob wir seinen armen Hund umbringen wollten. Cudny bellte ausgelassen und verschluckte sich dabei.
    Bartosz zeigte auf das Wasser, an dem wir vorbeifuhren. Kaum zwei, drei Meter trennten die Straße vom Haff. Das Wasser glitzerte eisig. Ob wir denn unsere Bikinis mitgebracht hätten? Nur deshalb sei er nämlich mitgekommen. Andernfalls würde er uns hier und jetzt aussetzen, an diesem langweiligen Binnengewässer, und alleine weiterfahren, hinüber zum offenen Meer. Wir protestierten und ließen uns weiter durch lichte Kiefernwälder und vorbei an Hotels chauffieren. Eine Familie ging im Gänsemarsch am Straßenrand, ganz so, als ob die Badesaison bereits eröffnet sei und man es sich unter seinem Sonnenschirm am Strand gemütlich machen konnte.
    Es gibt also tatsächlich Leute, die besser ausgerüstet sind als wir. Bartosz fuhr in großem Bogen um die Familie herum und verlangte nach einem geschmierten Brot. Ich reichte es ihm.
    Mit dem Zeug, das ihr eingepackt habt, könnten wir hier eine ganze Woche verbringen.
    O ja, sagte Renia plötzlich. Lasst uns das machen. Eine Woche weg von allem.
    Bartosz drehte sich verblüfft zu ihr um. Im Ernst?
    Na klar! Renia beugte sich nach links. Ihr könntet doch einfach zu Hause anrufen und darum bitten, dassdeine Eltern ein Schild an die Tür der Pfandleihe machen, wegen Renovierung geschlossen oder so!
    Nach so kurzer Zeit? Bist du verrückt? Weißt du, wie viele Kunden wir pro Tag so haben? Praktisch die ganze Stadt würde uns vermissen.
    Im letzten Ort auf der Landzunge hielt Bartosz an und parkte das Auto vor einem geschlossenen Supermarkt. Als wir ausstiegen, umfing uns ein kalter Wind, und sofort begannen wir nach unseren Jacken zu suchen. Bis auf uns und die Familie, die wir überholt hatten, war kaum jemand im Dorf zu sehen: Die Restaurants waren geschlossen, die Hotels und Herbergen hatten ihre Schilder mit Säcken und Tüten verhängt. Einzig ein Hund starrte aus einiger Entfernung zu uns herüber, wurde aber sogleich von Cudnys kehligem Bellen vertrieben.
     
    Wir machten uns auf den Weg durch das Wäldchen aus Kiefern. Irgendwie hatten sie es geschafft, sich in einem Untergrund aus schierem Sand zu verwurzeln und dem Wind zu trotzen. Dazwischen, auf den Ausläufern der Dünen, wuchsen Strandhafer und Sanddorn. Diese Pflanze hatte ich im Herbst bereits an den Stränden bemerkt, aber in keinem Laden irgendein Sanddornprodukt gesehen. Ich sprach Bartosz darauf an, und als er mir endlich glaubte, dass man aus den orangefarbenen Beeren dieser Büsche tatsächlich Lebensmittel herstellen konnte, sagte er, dass die meisten Bewohner und deren Familien der Stadt ja gar nicht von von hier waren, sondern von Leuten abstammten, die Gott weiß woher gekommen waren. Aus den Sümpfen Litauens und der Wildnis der Ukraine. Die hiesige Flora und Fauna seien für diese Menschen immer fremd geblieben. Nicht jedeFamilie, so wie seine, hätte an Ort und Stelle ausgeharrt. Standhaft und wacker.
    Na ja, nicht ganz, sagte ich, und wir schauten uns kurz an. Schweigend kamen wir überein, das Thema nicht noch einmal anzuschneiden. Vor uns war schon das Ende des Wäldchens sichtbar, dahinter eine gleißend helle Düne und darüber der blaue Himmel.
    Bartosz war die plötzliche Stille unangenehm, und so drehte er sich zu Renia und fragte sie, woher ihre Familie eigentlich komme. Da lief sie voraus und wich tänzelnd den Wurzeln der Kiefern aus.
    Wo meine Familie herkommt? Sie blieb stehen, und wir schlossen auf. Sie schien scharf nachzudenken, dann kam ihr der rettende Gedanke. Aus dem wildesten aller wilden Sümpfe. Haben davon gelebt, Kröten und Ottern zu züchten, ja, so muss es gewesen sein. Und dann kamen sie hierher, und dann war es aus mit der Kröten- und

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