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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Naturen könnten auf jeder Bemerkung, sei sie auch noch so beiläufig, herumreiten.«
    Das Abendessen war kein gesellschaftlicher Erfolg. Ramses studierte unablässig seine Notizen und fügte gelegentlich noch das eine oder andere Wort hinzu, ein Vorgang, der Emerson extrem nervös machte. Enid ignorierte Donald, indem sie die meiste Zeit mit Ramses plauderte. Die Káwurmeh war vorzüglich, allerdings etwas übergart.
    Ich fragte Donald, warum er sich seinem Bruder nicht zu erkennen gegeben habe. »Denn Sie haben doch sicherlich«, fügte ich hinzu, »seine Stimme gehört.«
    »Ich habe ihn gehört«, antwortete Donald schroff.
    »Wie konnten Sie sich dann einer so stimmungsvollen Argumentation verschließen?«
    »Sie nehmen doch wohl kaum an, daß ich erst alle Hebel in Bewegung setze, um ihm aus dem Weg zu gehen, und dann meine Meinung ändere.«
    Demonstrativ an Ramses gerichtet, sagte Enid: »Feigheit, weißt du, hat nicht immer nur mit physischen Überlegungen zu tun. Die Weigerung, der Wahrheit ins Auge zu sehen, ist eine Form moralischer Feigheit, die mir sogar noch schlimmer erscheint.«
    Bemerkungen dieser Art waren auch nicht eben förderlich für die Stimmung der Beteiligten.
    Emerson war ebenfalls keine Hilfe. Normalerweise befindet er sich nach einem erfolgreichen Ausgrabungstag in einem Zustand fröhlicher Mitteilsamkeit über seine Errungenschaften sowie seine zukünftigen Pläne. Sein Schweigen wertete ich als Groll gegen mich – was natürlich im höchsten Maße ungerecht war, denn schließlich hatte Ramses das Thema in erster Linie aufgebracht, und ich hatte lediglich reagiert, wie jede andere Mutter an meiner Stelle auch gehandelt hätte. Alle Versuche, Emersons Verstimmung zu besänftigen, indem ich ihn über die Tempelruinen ausfragte, scheiterten.
    Wie nicht anders zu erwarten, war Ramses außerordentlich gesprächig, und ich muß erklärend hinzufügen, seine Unterhaltungsbeiträge waren eine seltsame Mischung aus seinen altbekannten ägyptologischen Interessengebieten und seinem neuen Steckenpferd. Er lud Enid pausenlos auf sein Zimmer ein, um ihr seine ägyptische Grammatik zu zeigen.
    Gegen Ende des Essens kündigte Emerson unerwartet an, daß er vorhabe, am nächsten Tag nach Kairo zu fahren. »Morgen ist der Ruhetag unserer Männer, so daß wir ohnehin keine Zeit verlieren. Ich verlasse mich darauf, Mr. Fraser, daß Sie auf Ramses und die Damen aufpassen …«
    »Die Damen!« entfuhr es mir. »Ich hoffe, daß du mich nicht in diese Kategorie mit einbeziehst, Emerson. Selbstverständlich werde ich dich begleiten.«
    »Ich habe mich falsch ausgedrückt, Peabody. Bitte verzeih mir. Ich hatte gehofft, du würdest ebenfalls als Wachtposten hierbleiben. Du weißt doch, daß du kompetenter bist als tausend Männer.«
    Dieser unverhohlene Versuch der Schmeichelei war so untypisch für Emerson, daß ich ihn nur noch sprachlos anstarren konnte. Donald meinte: »Was das anbelangt, Professor, können Sie sicher sein, daß ich auch ohne Mrs. Emersons Hilfe meine Pflicht erfüllen werde. Selbst ein moralischer Feigling ist vermutlich in der Lage, für die Schwachen und Hilflosen sein Leben aufs Spiel zu setzen.«
    Diese Bemerkung erzürnte Enid und Ramses gleichermaßen. Enid schlug vor, daß sie sich zurückziehen und einen Blick in die Grammatik werfen sollten, und dann brachen die beiden auf. Bastet folgte ihnen, nicht ohne zuvor jedoch ihrem jungen Herrn ihre Loyalität zu beweisen, indem sie Donald ins Bein biß.
     
    Wir einigten uns darauf, die Nacht im Haus zu verbringen, um am nächsten Morgen gleich den ersten Zug nehmen zu können. Emerson wandte sich wieder seinen beruflichen Aufzeichnungen zu, während ich die gefundenen Artefakte beschriftete und sortierte. Doch jedesmal, wenn ich von meiner Arbeit aufblickte, sah ich, wie er untätig auf das Papier vor sich starrte, als wäre er in Gedanken weit weg von seiner Arbeit. Ich ging früh zu Bett. Emerson kam nicht mit mir, und er weckte mich auch nicht auf, als er sich später zu mir legte – was normalerweise seine Art war.
    Der Himmel war immer noch dunkel, als ich von einem leisen Geräusch unten im Haus geweckt wurde, doch der schwache Streifen am Osthimmel deutete darauf hin, daß der Morgen bereits dämmerte. Vorsichtig kletterte ich zum Dachfirst und schaute nach unten. Was ich gehört hatte, war das Geräusch der leise geöffneten und wieder verschlossenen Eingangstür. Ich erwartete schon, eine winzige Gestalt zu erblicken, die sich

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