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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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aufgebrühten Tee ein. Allerdings versteht Emerson trotz seiner vielfältigen Talente wenig von kulinarischen Genüssen.
     
    Die Neuverteilung unserer Schlafplätze entpuppte sich als wesentlich schwieriger, als ich angenommen hatte. Ich konnte Ramses nicht zum Schlafen aufs Dach schicken. Er käme vielleicht auf die Idee, an der Hauswand hinunterzuklettern und wieder unbeobachtet irgendwelchen Unfug anzuzetteln. Ramses war selten ungehorsam, wenn es sich um direkte Anweisungen handelte, doch er besaß die teuflische Angewohnheit, ständig nach Schlupflöchern zu suchen, um sich meinen Anordnungen zu entziehen.
    Emerson und ich konnten nicht die Nacht auf dem Dach verbringen und die junge Dame mit dem jungen Mann unten allein lassen. Emerson hielt mich für ungemein prüde und ließ sich lang und breit darüber aus. Ich machte mir nicht die Mühe, ihm meine wahren Gründe zu enthüllen, denn diese hätten ihn noch mehr aufgebracht. Aufgrund einer Verquickung glücklicher Umstände war Miss Marshall dem Meisterverbrecher entwischt. Ich konnte sie doch nicht einem Mann ausliefern, den ich stark verdächtigte, der Stellvertreter des M. V. zu sein.
    Die gleichen Bedenken hegte ich, wenn Miss Marshall auf dem Dach schlief. Die einzige Lösung bestand darin, daß Emerson und ich unser Nachtlager im Salon aufschlugen, der sich an das kleine, Miss Marshall zugedachte Zimmer anschloß. Niemand könnte sie erreichen, ohne über unsere ruhenden Körper steigen zu müssen, denn die einzige Tür befand sich im Salon, und das Fenster war zu schmal zum Einsteigen.
    Diese Vorkehrungen ließen sich nur mit einem beträchtlichen Lärmpegel ausführen. Emerson ist zu gut erzogen, als daß er in Gegenwart einer Dame fluchen würde, aber sein Gemütszustand spiegelte sich in lauten Stoßseufzern und Ausrufen wie »Ach, du meine Güte!« wieder. Meine vorrangige Sorge war, Enid so bald wie möglich zur Ruhe kommen zu lassen. Sie befand sich am Rande eines Nervenzusammenbruchs, eine normale Reaktion bei einem Menschen, der nach Stunden nervlicher Anspannung und körperlicher Erschöpfung endlich eine Zuflucht gefunden hat. Ein Feldbett, Decken, eine Lampe und diverse Toilettenartikel waren schnell zur Hand (da ich für meine Expeditionen immer bestens gerüstet bin).
    Erst, als alles fertig und Enid ins Bett geschafft worden war, fiel mir auf, daß ich Mr. Nemo nirgends gesehen hatte. Ein durchschnittlich neugieriger Mensch hätte doch zumindest einen Blick auf das Geschehen riskiert. Ich ging zu seinem Zimmer, doch mir war bereits klar, was ich dort vorfinden würde.
    Die schwere Holztür besaß zwar keinen Riegel, doch Nemo hatte versucht, sie mit Hilfe eines Umzugskartons zu verschließen, der ihm als Tisch diente. Meine Körperkraft wird häufig unterschätzt. Ich bin zwar nur ein Meter fünfundfünfzig groß und eher schlank (an den meisten Stellen), aber ich halte mich fit. Als ich meine Schulter gegen die Tür stemmte, hatte ich keine Schwierigkeiten, die leere Kiste aus dem Weg zu schieben.
    Mit dem Gesicht zur Tür lag Nemo auf der Seite. Ein feines, entspanntes Lächeln umspielte seine Lippen. Die Flamme der kleinen Lampe auf dem Boden vor ihm wurde von seinem glasigen Blick reflektiert.
    Er hatte das entsetzliche Werkzeug seiner Zerstörung mitgebracht. Insgeheim schalt ich mich, daß ich es vernachlässigt hatte, seine Habseligkeiten zu durchsuchen, obwohl ich in der Tat nicht bemerkt hatte, daß er irgend etwas besaß. Außerdem wäre es einfach für ihn gewesen, die Pfeife und das Opium in den Falten seines Umhangs zu verbergen. Ich fand sie sofort. Berauscht von der Droge hatte er nicht daran gedacht, diese erneut zu verstecken. Die Pfeife lag genau neben ihm, wo sie ihm aus seiner schlaffen Hand gefallen war. Daneben stand eine kleine Zinnbüchse, zur Hälfte gefüllt mit einer dunklen, sirupartigen Substanz und einem dünnen Schöpflöffel, der zur Entnahme einer winzigen Menge Opium gebraucht wurde. Löffel und Opium wurden dann über eine Flamme gehalten, bis die Substanz kochte und schmolz und in den Kopf einer Pfeife gegossen werden konnte.
    Ich wußte, daß jeder Versuch, mit Nemo zu reden, aussichtslos war. Er war weit weg, entrückt in die Bilder seiner Vorstellungskraft. Ich nahm die Opiumdose, die Pfeife und das Löffelchen. Dann blies ich die Lampe aus und verließ ihn leise.
    Der Rest der Nacht verlief ohne irgendwelche Zwischenfälle. Emerson schnarchte. Er schnarcht selten, und wenn doch, dann ist es für

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