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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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gewöhnlich Absicht.
     
    Im Morgengrauen war ich auf den Beinen und spürte wieder meine unbezwingbare Energie. Es gab viel zu tun an diesem Tag, und ich freute mich darauf wie ein Boxer, der in den Ring steigt, um seine Kräfte an einem ebenbürtigen Gegner zu messen. Leise verrichtete ich meine morgendlichen Pflichten und versuchte, Emerson nicht zu wecken, da ich es für eine gute Idee hielt, sein Frühstück bereits vorbereitet zu haben, wenn er wach wurde. Er würde in den vor uns liegenden Stunden ohnehin noch häufig genug Gelegenheit finden, seine Launen auszuleben.
    Es war ärgerlich, daß es keine Holzdielen auf dem Boden gab, denn das eröffnete die Möglichkeit, sich unbemerkt anzuschleichen. Mein geschulter sechster Sinn warnte mich jedoch, daß ich beobachtet wurde. In der Erwartung, meinen allgegenwärtigen Sohn zu erblicken, sah ich stirnrunzelnd auf, nahm jedoch statt dessen die Umrisse von Mr. Nemo wahr, der vorsichtig durch den Vorhang spähte. Diesen hatten wir angebracht, um eine gewisse Privatsphäre zu erhalten.
    Er inspizierte den Raum von allen Seiten, als erwarte er jeden Moment, lauernde Dämonen zu erblicken. »Wollen Sie einen Augenblick mit mir nach draußen kommen, Mrs. Emerson?« flüsterte er.
    Ich hatte ihm eigentlich das Gleiche vorschlagen wollen. Ein langes, ernsthaftes Gespräch mit Mr. Nemo stand ganz oben auf der Liste der Aktivitäten, die ich mir für diesen Tag vorgenommen hatte. Es überraschte mich lediglich, daß er nicht den Versuch unternahm, der Auseinandersetzung zu entgehen. Aber vielleicht wollte er auch, statt sich zu entschuldigen, in die Offensive gehen und die Rückgabe seiner widerwärtigen Drogenausstattung erzwingen. Sein verbissener Gesichtsausdruck und die fest zusammengepreßten Lippen deuteten eher auf Entschlossenheit als auf Reue hin.
    Als wir ins Freie traten, bat er mich, ihm zur Nordseite des Hauses zu folgen, wo man uns von der Eingangstür her nicht sehen konnte. Dann blickte er mich an.
    »Mrs. Emerson, ich verlasse diese Arbeitsstätte.«
    An diesem Morgen hatte er sich weder rasiert noch einen Kamm verwendet, um seine zerzausten blonden Locken zu bändigen. (Soweit ich wußte, besaß er überhaupt keinen Kamm oder eine Bürste.) Die Begleiterscheinungen der Droge waren an seinen stecknadelkopfgroßen Pupillen und den bleichen Wangen ersichtlich. Trotzdem hatte der monatelange Drogenmißbrauch die Ausstrahlung des ehemals gut­aussehenden Engländers (oder Schotten) noch nicht völlig zerstört. Rasiert, gekämmt und in einen passenden Anzug gesteckt, würden sich die Frauen nach ihm umdrehen.
    »Nein, Mr. Nemo, das werden Sie nicht tun«, sagte ich.
    Seine Lippen zitterten. »Und wie gedenken Sie, mich davon abzuhalten?«
    »Mit Gewalt, wenn es sein muß.« Ich lehnte mich gegen die Mauer und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ein Schrei von mir und zehn starke Männer würden hier auftauchen, um auch die kleinste Anordnung zu befolgen. Emerson zähle ich nicht dazu, da er, obgleich er an Kraft und Zuneigung selbstverständlich den anderen überlegen ist, ziemlich orientierungslos ist, wenn er plötzlich aus dem Schlaf gerissen wird, und Sie könnten ihm entwischen, bevor er seine fünf Sinne beisammen hat. Ich bezweifle allerdings, daß Sie Abdullah und seine Söhne abwimmeln könnten. Nein«, fuhr ich gelassen fort, als er mit geballten Fäusten näher auf mich zutrat. »Versuchen Sie nicht, mir zu drohen, denn ich weiß, daß Sie nicht in der Lage sind, sich an einer Frau zu vergreifen.
    Sie werden uns nicht verlassen, Mr. Nemo. Was … was denken Sie eigentlich? Daß ich erst viel Lärm mache, um dann nichts zu bewerkstelligen? Ich habe mir geschworen, daß ich Sie resozialisieren werde, und genau das werde ich tun, ob mit oder ohne Unterstützung Ihrerseits. Im Prinzip habe ich volles Verständnis für das Recht jedes Engländers – und jeder Engländerin – oder, um es genau zu sagen, für jeden Mann und jede Frau gleich welcher Herkunft … Was wollte ich eigentlich sagen?«
    Nemos finsterer Blick war einem verständnislosen, beinahe irren Glotzen gewichen. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung«, murmelte er.
    »Oh, ja. Ich glaube fest daran, daß jeder Mensch das Recht darauf hat, sich eine Beschäftigung zu suchen oder diese aufzugeben, wann immer ihm oder ihr der Sinn danach steht. Jede Einschränkung dieser Freizügigkeit begründet Leibeigenschaft, und Freiheit ist das unbenommene Recht jedes Individuums. In diesem Fall

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