Amelia Peabody 05: Der Sarkophag
strapazierfähigen inneren Organen meines Sohnes jedoch nichts anhaben konnten. Ich würde mich noch früh genug mit Ramses auseinandersetzen. In der Zwischenzeit trug seine Abwesenheit lediglich zu meinem Hochgefühl bei.
Die auf dem Wannenrand sitzende Katze Bastet beobachtete mich aus bernsteinfarbenen Augenschlitzen. Bäder faszinierten sie. Vermutlich erschien ihr das völlige Eintauchen in Wasser eine seltsame Reinigungsmethode.
Obwohl Dahschur nicht weit von Kairo entfernt liegt, hatten wir der Metropole während der vergangenen Wochen keinen Besuch abgestattet. Ein umfangreicher Stapel Briefe und Zeitschriften erwartete uns; auf meine Bitte hin ließ Emerson die Badezimmertür einen Spaltbreit geöffnet und las mir die Post vor. Es gab einige Briefe von Emersons Bruder Walter und seiner Gattin, meiner lieben Freundin Evelyn. Sie beglückwünschten uns zu unserer baldigen Heimkehr und teilten uns die Neuigkeiten von unseren Nichten und Neffen mit.
Die übrige Post war unerheblich. Emerson schob sie beiseite und wandte sich dem Zeitungsstapel der letzten Wochen zu. Mit unterschwelliger Erheiterung lauschte ich den von ihm ausgewählten Artikeln, da seine Vorstellung, was mich interessieren könnte, recht seltsam war. Das Vordringen unserer Streitkräfte in den Sudan – ja, das interessierte mich, denn das war nahe unserer Heimat (unserer geistigen Heimat Ägypten). Doch den Werbeanzeigen für das Daimler-Gefährt (einem neu entwickelten Fahrzeug, das von einem Zweizylindermotor angetrieben wurde) und dem von Lambeth patentierten Wasserklosett konnte ich nichts abgewinnen. Ich entgegnete nichts; Emersons wohlklingender Bariton drang angenehm an meine Ohren, und seine ironischen Kommentare über die »Unannehmlichkeiten des modernen Lebens« verliehen den Informationen einen gewissen Mutterwitz. Während ich verträumt meine aus dem duftenden Wasser hervorlugenden Fußspitzen betrachtete, fiel ich in eine Art Dämmerzustand, aus dem ich aufgrund von Emersons Wutanfall brutal aufschreckte.
»Welch ein hirnrissiger Blödsinn!« brüllte er.
Ich nahm an, daß Emerson die Times gegen eine andere Zeitung ausgetauscht hatte – vermutlich die Daily Yell, deren Artikel häufig eine solche Reaktion hervorriefen.
»Was ist hirnrissiger Blödsinn, mein Lieber?« wollte ich wissen.
Ein geräuschvolles Umblättern der Seiten folgte. Dann entfuhr es Emerson: »Genau wie ich vermutete. Ich hätte es wissen müssen. Dein geschätzter Freund O’Connell ist der Verfasser dieses Unsinns!«
Ich wollte gerade entgegnen, daß Mr. Kevin O’Connell kein besonders geschätzter Freund von mir war; aber das wäre nicht ganz korrekt gewesen. In den vergangenen Jahren hatte ich ihn kaum zu Gesicht bekommen, doch im Zuge unserer Ermittlungen in dem grotesken Baskerville-Mordfall hatte ich den jungen Journalisten schätzengelernt. Bei seiner Berufsausübung war er sicherlich rüde und aufdringlich; doch als wir ihn in einer Notsituation dringend brauchten, hatte er sich als zuverlässiger Verbündeter erwiesen, und er war sogar relativ gelassen über Emersons Fußtritt hinweggegangen, der ihn die Haupttreppe des Shepheard’s hinunterbefördert hatte.
»Was hat Mr. O’Connell denn jetzt wieder angestellt?« fragte ich.
Die Zeitung raschelte geräuschvoll. »Er bedient sich wieder seiner alten Tricks, Peabody. Noch mehr von diesen verdammten Mumien, noch mehr verdammte – äh – Flüche.«
»Tatsächlich?« Ich richtete mich auf und bespritzte Bastets Pfoten mit Wasser, woraufhin diese leise fauchte und mich aus ihren bernsteinfarbenen Augen anfunkelte. »Entschuldigung«, murmelte ich.
»Wofür?« brummte Emerson.
»Ich sprach mit der Katze Bastet. Bitte, fahre fort, Emerson. Lies mir vor, was er schreibt.«
»Ich denke nicht daran«, erwiderte Emerson.
»Wie bitte, Emerson?«
»Bitte, Amelia«, entgegnete Emerson mit unterkühlter Nonchalance. »Ich werde dir diesen Artikel nicht vorlesen. Um ehrlich zu sein, werde ich diese Zeitung und alle anderen vernichten, die auch nur den kleinsten Hinweis auf ein Thema liefern, das aus mir unerfindlichen Gründen deinen normalerweise brauchbaren Verstand außer Kraft setzt.«
»Brauchbar, Emerson? Hast du brauchbar gesagt?«
Emerson antwortete nicht, während er Papier zerriß, zerknüllte und zertrampelte. Ich wartete, bis sich der Sturm gelegt hatte, und rief dann: »Also wirklich, Emerson! Du kannst doch nicht sämtliche Zeitungen aus Kairo zerstören! Außerdem führt dies
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