Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
wie der Papyrus nach Kairo gelangt ist. Bevor sie Sethos verließ, beraubte sie ihn.«
»Da ist noch etwas anderes«, sagte Ramses langsam. »Etwas, was Layla gesagt hat. ›Deine ehrenwerte Mutter weiß das. Frage sie, ob Frauen nicht ebenso gefährlich wie Männer sein können.‹«
»Dieses kleine Detail hättest du auch schon früher erwähnen können«, sagte ich, nicht unbedingt verärgert, daß sich außer mir noch jemand der Unterlassung schuldig gemacht hatte. »Das ist von höchster Bedeutung!«
»Nur im Zusammenhang«, erwiderte Nefret und warf mir einen prüfenden Blick zu.
»Später behauptete sie, daß sie versucht habe, mich zu warnen«, sagte Ramses. Er sah mich mit dem üblichen unergründlichen Gesichtsausdruck an. Wären seine Lippen etwas mehr nach oben geschwungen gewesen, hätte ich das für ein Grinsen gehalten. »Eine verflucht überflüssige Warnung, wenn sie wirklich die Absicht gehabt hatte. Ist ja auch egal, Mutter; wie du siehst, ist nichts passiert. Möchtest du einen Whiskey Soda?«
»Danke«, sagte ich mit schwacher Stimme.
Die Atmosphäre hatte sich leicht entspannt. Nachdem mich Ramses mit besagtem Getränk versorgt hatte, fuhr er fort: »Diese Theorie erscheint mir sinnvoller als unsere ursprüngliche Vermutung, daß Sethos erneut unser geheimer Widersacher sein könnte. Wenn es stimmt, dann haben sich die Bedingungen geändert – und nicht zu unseren Gunsten. Sethos scheint sich an einen gewissen Ehrenkodex gebunden zu fühlen. Offensichtlich kennt Bertha solche Skrupel nicht. Vielleicht besteht für sie die sü ßeste Form der Rache darin, nicht Mutter Schaden zuzufügen, sondern denen, die ihr nahestehen. Unter diesem Aspekt betrachtet, bekommen die Angriffe auf uns einen ganz anderen Stellenwert. Yussuf sollte gar nicht den Papyrus zurückholen; er sollte Nefret etwas antun oder sie entfuhren.«
»Er hat aber versucht, den Papyrus an sich zu bringen«, beharrte Nefret. »Schließlich bin ich wach geworden, als er …«
»Über die Kiste mit dem Papyrus stolperte«, sagte Ramses. »Das erklärt einen der mich beunruhigenden Punkte – wie er oder irgendein Außenstehender wissen konnten, daß sich der Papyrus in deinem Zimmer befand.
Er wußte es erst, als er ihn sah beziehungsweise mit dem Fuß davorstieß.«
»Verflucht, Ramses, willst du damit behaupten, ich sei so fahrlässig gewesen, ihn überhaupt nicht zu verstecken?«
»Oder«, fuhr Ramses hastig fort, »er suchte irgend etwas Wertvolles, was er mitgehen lassen konnte. Yussuf Mahmud war ein Dieb und ein Feigling. Er bekam es mit der Angst zu tun, und als du dich wehrtest, suchte er das Weite. Die Männer, die David und mich angriffen, hätten uns spielend leicht beseitigen können. Aber die Ungewiß heit hinsichtlich unseres Schicksals wäre für Mutter vermutlich ein viel stärkerer seelischer Schock gewesen. Was könnte schmerzlicher sein, als um seine Lieben zu bangen, zu wissen, daß sie Gefangenschaft, Folter und letztlich einen qualvollen Tod erdulden müssen?«
Emersons Umarmung meiner Schultern wurde inniger. »Erwähnte Layla, was man für dich und David vorgesehen hatte?«
»Nicht im Detail«, lautete die Antwort. »Aber das wäre die logische Schlußfolgerung gewesen, selbst wenn sie nicht daraufhingewiesen hätte.«
»Hölle und Verdammnis!« entfuhr es Nefret. »Wir müssen diese verfluchte Frau finden! Wo kann sie sich nur verborgen halten? Im Haus der Schwalben? Wie ich diesen Namen verabscheue!«
»Nein«, sagte Ramses entschieden. »Eine Frau, die teuren Champagner liebt, würde eine elegantere Umgebung vorziehen.«
»Natürlich!« entführ es mir. »Der Champagner! Das ist ein weiteres eindeutiges Beweisstück. Gütiger Himmel, sie hat in der Tat in Laylas Haus gewohnt!«
»Vorübergehend«, sagte Ramses. »An jenem Abend muß sie fortgegangen sein, um die Vorbereitungen für unsere … äh … Beseitigung in die Wege zu leiten. Vielleicht ein weiteres Anzeichen dafür, daß ihre Manneskraft (man verzeihe mir diesen Begriff) begrenzt ist.«
»Bei weitem nicht begrenzt genug«, bemerkte Emerson grimmig.
»Das bringt uns auch nicht weiter. Verflucht, wenn ich doch nur wüßte, was man als nächstes unternehmen sollte.«
»Man kann nie wissen«, sagte ich. »Manches kommt von ganz allein!«
»Wie die Kobra in mein Bett«, erwiderte Nefret. Aber sie sagte es so leichtherzig, und ihr Lächeln war bereits wieder einlenkend. Ein Aufprall und ein heftiges Erzittern der Kletterrosen
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