Amelia Peabody 10: Die Hüter von Luxor
andere als interessiert, bemühte sich jedoch um Höflichkeit. »Ich wußte nicht, daß die ältere Dame ihre Mutter war. Sie hat nicht mit mir gesprochen.«
Auf dem Verandasims kauernd, die Hände um die angezogenen Knie geschlungen, meinte Ramses: »Ich habe über etwas nachgedacht, was ihr gesagt habt, Mutter – du und Onkel Walter. Vielleicht ist die Idee eines Mörderkults gar nicht so abwegig, wie man meint. Nicht, daß es wahrscheinlich ist, daß so etwas bereits existiert, aber allein die Vorstellung und diese gräßlich zugerichteten Leichen haben bei der örtlichen Bevölkerung abergläubisches Entsetzen ausgelöst. Sie haben Angst, mit uns zu reden. Ist es möglich, daß unsere Widersacher Angst als Mittel einsetzen, um ihre körperliche Schwäche zu kompensieren? Wie viele mögen es wohl sein?«
»Gute Frage«, entfuhr es Nefret.
»Eigentlich nicht«, sagte Ramses. »Wir haben nur einige Mitglieder einer möglicherweise riesigen Organisation kennengelernt. Allerdings haben wir nie mehr als drei oder vier gleichzeitig gesehen, nicht wahr? In Laylas Haus waren lediglich drei Männer. Sie sagte, daß weitere erwartet würden, aber das bedeutet nicht zwangsläufig viele.« »In Kairo waren es mindestens vier«, sagte Nefret nachdenklich. »Zwei, die durch das Fenster einstiegen, und zwei im gegenüberliegenden Haus.«
»In dem Haus waren drei«, bemerkte David. Seine Hand faßte unwillkürlich an seine Kehle. »Und die Frau.« Drei beiläufig und ohne jeden Hintersinn geäußerte Wörter – doch ihre Wirkung auf Nefret war bemerkenswert. Geräuschvoll schnappte sie nach Luft.
»Die Frau«, wiederholte sie. »Erstaunlich, nicht wahr, wie wir die weiblichen Beteiligten übergehen? Und doch waren es mehrere, die eine nicht unwesentliche Rolle spielten. Eine Frau, die sich als Mrs. Markham in die sozialpolitische Frauenunion einschleuste und Sethos während des Raubes von Mr. Romers Antiquitäten unterstützte. An besagtem Abend in Kairo versuchte eine Frau, Davids Kehle aufzuschlitzen. Eine weitere Frau, Layla, stellte offensichtlich ein wichtiges Mitglied der Gruppe dar. Einige oder sogar alle Frauen in jenem unsäglichen Haus in Luxor sind ebenfalls darin verwickelt.«
»Nefret«, entfuhr es mir. »Was sagst du da?« Mit einer entschiedenen Handbewegung schnitt sie mir das Wort ab. Ihre Augen glänzten vor Aufregung. »Als ich dir vor einigen Tagen Fragen hinsichtlich Sethos zu stellen versuchte und du diese Sache nicht diskutieren wolltest, war ich der Wahrheit bereits auf der Spur. Du meintest, daß die versuchte Entführung in London Sethos’ charakteristischer Handschrift entbehrte. Du hattest recht. Er hätte keinen solch gewissenlosen, brutalen Überfall geplant oder seinen Untergebenen gestattet, dich so grob zu behandeln.«
»Dennoch dürfen wir die Hinweise, die zu einer Verdächtigung Sethos’ führen, insbesondere die Sache mit der Schreibmaschine, nicht außer acht lassen. Wenn es nicht Sethos war, der die Mitteilung verfaßt hat, war es jemand, der ihm sehr nahesteht - jemand, der Zugang zu seiner privaten Kunstsammlung hat, mit dem illegalen Antiquitätenhandel und der kriminellen Unterwelt vertraut ist, der Tante Amelia haßt und ihr Schaden zufügen will. Ich glaube, daß es sich bei diesem Jemand um eine Frau handelt – und daß ihr wißt, wer diese Frau ist!«
Emersons Augen weiteten sich. »Hölle und Verdammnis! Könnte es sein – nein, sie muß es sein! Bertha!«
13. Kapitel
Ich mußte mich räuspern, bevor ich mich verständlich ausdrücken konnte. »Nein. Unmöglich.«
»Es kann kein Zufall sein«, knurrte Emerson. »Sie erfüllt Nefrets Kriterien bis ins kleinste Detail.«
»Nicht jedes Detail, Emerson. Sie war nicht … O mein Gott! Glaubst du, daß sie es war ?«
Nefrets blaue Augen funkelten wie zwei kostbare Kaschmirsaphire. »Ich hoffe, du hältst mich nicht für schlecht erzogen, Tante Amelia, wenn ich dich im Gegenzug bitte, uns verflucht noch mal darüber aufzuklären, wovon du da eigentlich redest. Bertha war doch die Frau, die an der Vincey-Geschichte beteiligt war. Was hat sie denn mit Sethos zu tun?«
»Sethos war ebenfalls in diese Geschichte verwickelt«, gestand Emerson. »Bis zum Schluß blieb uns diese Tatsache unbekannt, und es gelang ihm wieder einmal, uns zu entkommen.«
»Genau wie Bertha«, fügte ich trübsinnig hinzu. »Im darauffolgenden Jahr begegneten wir ihr erneut, und diesmal war sie aktiv am illegalen Antiquitätenhandel
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