Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
Brillenträger und jedem von ihnen habe ich deine Worte wiederholt.«
»Verflucht, das bedeutet gar nichts«, knurrte Emerson, nachdem Bassam in Richtung Küche entschwunden war. »Wenn einer davon Asad war, was ich bezweifle, dann hat er den Wink nicht verstanden.«
»Vielleicht taucht er auf, wenn wir das Lokal verlassen, oder er greift uns an«, wandte ich ein.
Emerson grinste. »Stets die Optimistin, mein Schatz.«
Wir widmeten uns unserem Mahl. Als wir aufbrachen, war es bereits spät. Meine Erwartungen waren hoch, aber sie wurden bald gedämpft; obwohl wir durch einige der dunkelsten Gassen streiften, passierten uns die schemenhaften Gestalten anderer Fußgänger ohne die geringste Reaktion.
Wir hatten das Automobil am Club zurückgelassen und eine Pferdedroschke genommen. Dieser wohl durchdachte Vorschlag stammte von mir; wie ich gegenüber Emerson verlauten ließ, wäre es praktisch unmöglich gewesen, ihn zum Anhalten zu bewegen, hätte er erst einmal hinter dem Steuer dieses Vehikels gesessen. Als wir den Bab-el-Louk-Platz erreichten, wo wir den Kutscher gebeten hatten zu warten, stellten wir fest, dass der Bursche eingenickt und mit gesenktem Kopf vornübergesackt war.
Emerson kündigte mit lautstarker Stimme unser Eintreffen an und half mir in die Droschke, die, sehr zu meiner Enttäuschung, leer war. Nun gut, dachte ich, während ich mich niederließ, es besteht immer noch die Chance, dass man uns auf dem Weg zum Club auflauert.
Es trat anders ein als von mir erwartet. Unvermittelt riss der Kutscher an den Zügeln und traktierte den armen Gaul mit der Peitsche. Unflätig fluchend, sprang Emerson auf und packte den Kutscher. Da jedermann weiß, dass wir Derartiges nicht gestatten, war der Bursche vorbereitet; er versetzte Emersons Lunge einen Schwinger, dass er auf den Sitz zurücktaumelte. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits intensiv beschäftigt mit einem weiteren Grobian, der den Kutschenverschlag geöffnet hatte und sich bemühte, mich herauszuzerren. Er war ziemlich überrascht, glaube ich, als ich, statt Widerstand zu leisten, unverzüglich aus dem Wagen stieg und ihm gehörig auf seinen nackten Fuß trat. Wir wechselten unsere Ausgangspositionen: Er strebte eine Flucht an, wohingegen ich entschlossen war, ihn nicht aus den Fängen zu lassen.
Ich hielt meinen Schirm fest umschlossen; mit einer kurzen Drehung ließ ich den hübschen kleinen Degen herausschnellen, der in Griff und Stock eingearbeitet ist. Er stieß einen spitzen Schrei aus, allerdings kann ich ihn nicht ernsthaft verletzt haben, weil er mir einen Hieb versetzte, den ich zwar gezielt abwehrte, der mich aber mit voller Wucht vor die Kutschentür schmetterte.
Das alles passierte sehr schnell. Ich kann mich nicht erinnern, aber ich muss einen Schrei ausgestoßen haben; Emerson eilte zu mir und fasste meinen Arm.
»Nimm seine Verfolgung auf!«, keuchte ich, denn der von mir attackierte Mann war nicht mehr zu sehen.
»Einen Teufel werde ich tun. Verflucht, siehst du denn nicht, dass du verletzt bist, Peabody?«
»Unfug«, murmelte ich, verwundert, dass meine Stimme wie von weit her klang. »Es war nur …«
Das Nächste, an das ich mich bewusst erinnern kann, war, dass ich mich halb sitzend, halb liegend in einer Kutsche wiederfand, Emerson über mich gebeugt. Ich hörte, wie etwas zerriss. Es war der Ärmel meines Mantels. Der uns umgebende Lichtschein stammte, wie ich entdeckte, von Emersons Taschenlampe, die er auf den Sitz gelegt hatte. Sanft und geschickt band er Stoffstreifen um meinen Oberarm, dieweil er pausenlos vor sich hin murmelte. »Nicht so schlimm wie von mir befürchtet. Mein lieber Schatz, was für eine verdammte Idiotin du doch bist! Halte durch, meine Geliebte, wir sind in wenigen Minuten im Club und dann werden wir einen Arzt finden …«
»Dazu besteht absolut kein Anlass«, erwiderte ich. »Wo ist mein Schirm? Finde meinen Degenschirm, Emerson. Ich vermute, ich habe ihn fallen gelassen.«
Vor Erleichterung und Erzürnung unablässig fluchend, lokalisierte Emerson besagten Gegenstand und warf ihn in die Droschke, bevor er auf den Kutschbock stieg. Das arme Pferd befand sich in einem Zustand äußerster Erregung, doch Emersons feste Hand und seine ruhige Stimme hatten es bald unter Kontrolle. Während er fuhr, drehte er sich ständig zu mir um, dieweil er seiner Besorgnis und seiner Beschwerde lautstark Ausdruck verlieh.
»Wie oft habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass du einen bewaffneten Gegner
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