Amelia Peabody 13: Der Herr der Schweigenden
denn. Hmmm. Was ist mit Gargery und Fatima und den anderen?«
»Ich würde es Ihnen so lange wie möglich vorenthalten, und ich glaube, das wird uns auch gelingen, wenn ich nur dieses blöde Kostüm loswerden kann. Ich werde es zusammenschnüren, morgen mit zur Ausgrabungsstätte nehmen und dort vergraben.«
»Wird Fatima das Fehlen nicht bemerken?«
»Wenn es ihr auffällt, habe ich mir längst etwas überlegt.«
»Dessen bin ich sicher. Gütiger Himmel, das Leben wäre um vieles einfacher, wenn wir unsere Freunde nicht genauso hinters Licht führen müssten wie unsere Feinde.« Er stand auf und trug mich ins Nebenzimmer.
Natürlich fühlte ich mich am nächsten Morgen hervorragend und war bereit, wieder an die Arbeit zu gehen. Einige Personen fanden es vielleicht merkwürdig, dass wir unsere Exkavation wieder aufnahmen, als wäre nichts geschehen, aber augenblicklich befanden wir uns in einer Sackgasse. Es gab keine Spur von den Männern, die uns bedrängt hatten; sie waren in den belebten Seitengassen von Kairo verschwunden. Wir hatten die Kutsche vor dem Turf Club der Obhut des Türstehers anvertraut, in der Annahme, dass ihr Besitzer (vorausgesetzt, er weilte noch unter den Lebenden) sie an dieser Stelle suchen würde, da wir ihn auch dort angemietet hatten. Das erwies sich als korrekt, wie wir im Verlauf des Tages von dem Kutscher selbst erfuhren, der uns aufsuchte und uns daran erinnerte, dass er noch nicht entlohnt worden war. Er fügte leicht wehklagend hinzu, dass wir ihm eine zusätzliche Entschädigung für seine Unannehmlichkeiten schuldeten. Dem konnte ich nur zustimmen. Eins über den Schädel gezogen zu bekommen, in einen Sack gestopft und dann in eine finstere Ecke hinter einen Abfallhaufen katapultiert zu werden, ist zweifellos unangenehm. Leider wusste der Kutscher nichts Konstruktives beizusteuern. Er hatte den Mann nicht einmal gesehen, der seinen Platz einnahm, denn er war im Schlaf bewusstlos geschlagen worden. Es hatte eine Zeit lang gedauert, bis er sich befreit hatte.
Die eigentliche Exkavationstätigkeit ging uns gut von der Hand. William Amherst erwies sich als tatkräftige Unterstützung, und ich war stolz darauf, dass ich zu seiner Läuterung beigetragen hatte. Gleichwohl waren seine Fähigkeiten begrenzt. Er war ein guter Kopist – wenn auch nicht von Ramses’ Format – und ein ausgebildeter Exkavator, aber er war absolut keine Hilfe, wenn es um Knochen ging, und davon fanden wir jede Menge. Am Tag nach unserem kleinen Abenteuer legten wir den dritten der Grabschächte frei und entdeckten weitere Gebeine, die sich in einem recht attraktiven Holzsarkophag befanden. Die Knochen selber waren alles andere als attraktiv. Splitter und Reste hoben sich unappetitlich angewinkelt von dem Gewirr morscher Mumienumhüllungen ab und der Schädel war vom Rumpf abgetrennt. Er lag am Fuß des Sargs, zwischen zwei riesigen zylindrischen Gefäßen. Sein fleischloses Grinsen war das Erste, was wir nach Abheben des Deckels gewahrten.
»Meine Güte«, bemerkte ich. »Wie seltsam. War die Verletzung pre oder post mortem, was meinst du?«
»Keine Ahnung«, brummte Emerson. »Das werden wir erst wissen, wenn Nefret das verfluchte Ding untersuchen kann. Hinter dem Sarg liegt noch ein weiteres Skelett. Keinerlei Anzeichen auf eine Mumifikation …«
Es nahm den ganzen Morgen in Anspruch, den Sarkophag durch den engen Schacht ans Tageslicht zu befördern. Ich fürchtete, dass die Knochen während dieser Prozedur durcheinander geschüttelt worden waren, vergewisserte mich jedoch nicht, da wir das Mittagessen einnehmen wollten. Nachdem die Männer den Sarg zu unserem Haus gebracht hatten, öffneten wir den Picknickkorb, und William sagte: »Ich werde die Freilegung der Grabkammer heute Nachmittag fortsetzen, Sir, sofern Sie erlauben.«
»Zuerst die Fotos«, erwiderte Emerson. »Das zweite Skelett sieht ziemlich mitgenommen aus.«
»Vielleicht sollten wir es an Ort und Stelle belassen«, schlug ich vor. »Bis Nefret zurückkommt. Und es könnte ratsam sein, auf sie zu warten, ehe wir die anderen Grabschächte erforschen.«
Emersons Augen wurden schmal. »Und auf Ramses zu warten, bevor wir die Kapelle freilegen? Verflucht, Peabody, ich kann in deinen Gedanken lesen wie in einem offenen Buch. Welche Alternative wolltest du mir denn vorschlagen? Falls es eine der Königinnen-Pyramiden ist …«
»Du hast mir versprochen, dass ich eine von ihnen haben könnte.«
Emerson entledigte sich seines
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