Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
denen Emerson lag, die Krüge, die Essensvorräte – und seine Mutter, die, auf dem Boden sitzend, den Rücken an die Wand gelehnt, mit den Fingern Erbsen aus einer Konservendose fischte.
»Ah, da bist du ja, mein Schatz«, sagte sie. »Ist Nefret auch mitgekommen? Wie schön.«
Ihr Gesicht war schmutzig, ihr Haar grau vom Steinstaub. Arme und Schultern waren bloß und so verdreckt wie ihr Gesicht; das Kleidungsstück, das ihren Oberkörper mehr oder weniger verhüllte, wies schmale Rüschenträger, meterweise Spitze und einige rosa Schleifchen auf.
Ramses brachte keinen Ton heraus. Nefret war sogleich an Emersons Seite und untersuchte seinen Arm.
Sie lachte gepresst. »Sie hat das Schirmgestänge in eine provisorische Schiene umfunktioniert!«
»Was wieder einmal beweist – sofern ein Beweis erforderlich ist-, es geht nichts über einen guten, stabilen Schirm«, sagte seine Mutter.
Erbsen flogen in sämtliche Richtungen, als Ramses sie hochhob und umarmte.
»Ende gut, alles gut«, bemerkte ich, an meinem Whisky-Soda nippend.
Zugegeben, eine Plattitüde, trotzdem fand ich das missbilligende Gemurmel überflüssig, das darauf folgte. Sie hatten sich alle auf der Veranda eingefunden, sogar Katherine. Bis zum Abendessen würde es noch eine ganze Weile dauern, denn Fatima war zu aufgeregt gewesen, um dem Koch Anweisung zu geben, als sie erfuhr, dass nicht nur wir, sondern auch Ramses und Nefret und Daoud und Selim sich in Luft aufgelöst hätten – irgendwo zwischen Gurneh und den westlichen Wüstengebirgen. Cyrus und Bertie hatten nicht einmal eine Stunde gewartet, bis sie die Verfolgung aufnahmen; da sie die Pferde noch immer in Mohammeds Obhut vorfanden und keine Vorstellung hatten, wo sie suchen sollten, waren sie zum Haus zurückgekehrt, in der Hoffnung, dass einige von uns oder wir alle dort anzutreffen wären.
Ich kann wahrlich nicht behaupten, dass auch nur ein Einziger überlegt gehandelt hätte. Cyrus hatte seine Frau holen lassen, Sennia bettelte um Erlaubnis, gemeinsam mit der Großen Katze des Re nach Ramses suchen zu dürfen, und Gargery musste gewaltsam zurückgehalten werden, als er, hektisch seine Pistole schwenkend, ins Freie stürmen wollte. Sein monotones Murren »und alles immer ohne mich« war am lautesten.
»Seien Sie still, Gargery«, sagte ich streng. »Und alle anderen auch. Uns blieb keine andere Wahl, als umgehend zu handeln.«
»Genau«, bekräftigte Emerson, der einige Schwierigkeiten hatte, mit nur einem funktionsfähigen Arm seine Pfeife zu rauchen und seinen Whisky zu trinken. Nefret hatte sich seiner angenommen; jetzt trug er einen schönen, frischen Gipsverband und eine ordentliche Schlinge. Nefret hatte mir heimlich anvertraut, dass sie den Gips doppelt so dick aufgetragen habe wie sonst üblich, da sie genau wisse, dass er ständig irgendwo anecken werde. Das erschien mir plausibel, wenngleich es einige weitere ruinierte Hemden bedeutete.
»Das mag ja sein«, lenkte Cyrus ein. »Aber ihr vier hättet trotzdem jemanden benachrichtigen sollen. Ihr konntet euch doch denken, dass wir uns Sorgen machen würden.«
Ramses hub an: »Es tut mir aufrichtig –«
»Papperlapapp«, raunzte sein Vater. »Soweit ihr das beurteilen konntet, durftet ihr keine Sekunde verlieren. Ramses, mein Junge – äh – ich danke dir. Nochmals.«
Ramses’ schmales, gebräuntes Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. »Bedank dich nicht bei mir, Vater, sondern bei Daoud und Jumana. Sherlock Holmes hätte es nicht besser machen können.«
Daoud strahlte. »Wer ist Sherlock Holmes?«, wollte er wissen.
»Der berühmteste Detektiv, der je gelebt hat«, erwiderte Ramses. Keiner von uns lachte, aus Furcht, Daouds Gefühle zu verletzen, doch dann wandte Ramses sich grinsend zu mir. »Mit Ausnahme von Mutter.«
Darauf lachten alle. Ich stimmte fröhlich und aus vollem Herzen mit ein.
»Sennia, es ist längst Schlafenszeit«, mahnte ich. »Husch, husch, ins Bett mit dir.«
Sie musste jedem einen Gutenachtkuss geben und dann natürlich auch noch das letzte Wort haben. »Die Große Katze des Re hätte euch gefunden.«
»Ha«, sagte ich, aber tonlos. Das Kätzchen war fett und faul geworden. Auf Ramses’ Schoß zusammengerollt, ähnelte es einem formlosen, grau getigerten Fellknäuel.
Nachdem Sennia sich getrollt hatte, nahm ich ein weiteres Gurken-Sandwich. Ich war ausgehungert, denn die Erbsen und die Gänseleberpastete, die dem vorausgegangen waren, hatten wenig gegen den Appetit ausrichten
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