Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
zwecklos. »Es liegt Stunden zurück, dass sie hier waren. Selbst wenn sie einer gesehen hätte –«
»Würde der auch nicht mehr hier sein«, schnitt Ramses ihm das Wort ab. »Oder sich nicht mehr erinnern können. Vater und seine verfluchten Verkleidungen!«
»Der Vater der Flüche«, sagte Daoud, seine Ruhe unerschütterlich, »ist unverwechselbar!«
»Das stimmt«, bekräftigte Nefret. »Ganz zu schweigen von Mutter, die, eine geliehene Galabiya hochraffend, neben ihm herstolpert. Ramses – Selim – wir sollten Ruhe bewahren, oder? Wir werden es überall erzählen und jeden fragen, der sie gesehen haben könnte; aber das dürfte eine Weile dauern. Vielleicht finden wir auf diese Weise heraus, wo sie hingegangen sind.« Sie drehte sich zu Ju mana. »Du weißt, wem sie gefolgt sind, stimmt’s?« Das Mädchen senkte den Blick. »Jamil?«
»Anders kann es nicht sein«, meinte Nefret. »Er ist zwar größer als du, aber ansonsten seht ihr beide euch sehr ähnlich. Er muss sich Kleidung besorgt haben, wie du sie trägst. Und er muss die Nachricht geschickt haben.
Ich glaube nicht, dass euer Vater irgendwas davon wusste.«
Wenn es als Trost gemeint war, so blieb Jumana davon unberührt. »Warum?«, fragte sie. »Warum sollte Jamil das tun?«
»Jedenfalls nicht, um sie zu seinem Grab zu lotsen«, entgegnete Ramses. Er war mittlerweile zu besorgt, um Rücksicht auf ihre Gefühle zu nehmen. »Sieh den Tatsachen ins Auge, Jumana. Er wollte ihnen übel mitspielen –
und das ist ihm wohl auch gelungen. Wie auch immer er das angestellt haben mag, andernfalls wären sie längst bei uns eingetroffen. Fällt dir etwas – irgendetwas – ein, das uns die Suche erleichtern könnte?«
»Wie könnte Jamil dem Vater der Flüche übel mitspielen?« Sie wich vor Ramses zurück, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Nein – warte – sei nicht böse mit mir.
Ich versuche nachzudenken, um euch zu helfen. Und ich denke, es gibt wenig, was er machen könnte. Jamil ist nicht sehr stark oder sehr mutig; der Vater der Flüche könnte ihn mit einer Hand zerquetschen, und die Sitt Hakim ist so beherzt wie ein Mann. Er würde sie an einen Ort führen, wo er sie überlisten könnte, ohne sich selber in Gefahr zu bringen.«
Die Sonne sank bereits. In wenigen Stunden würde es stockfinster sein. »Das alles bringt uns nicht weiter«, sagte Ramses, um einen moderaten Ton bemüht. »Es ist, als würde man eine Stecknadel im Heuhaufen suchen müssen. Wenn er die Angewohnheit hat, Leute von Klippen zu katapultieren, wie Mutter sich ausdrückt …«
»Kannst du dir vorstellen, dass Jamil Vater einen Abhang hinunterstößt?«, gab Nefret zu bedenken. »Er müsste zwanzig Schritte zurückgehen und dann auf Vater lospreschen – und bei Mutter genauso, die ihn mit einem Kugelhagel auf Trab brächte.«
Jumana maß sie vorwurfsvoll-verwundert, doch Ramses wusste, dass die gleichmütige Äußerung seiner Frau nur der tapfere Versuch war, sie bei Laune zu halten. Es half, um Ramses’ Bedenken ein wenig zu zerstreuen;
Nefret hatte es so treffend umschrieben, dass er sogar halbherzig lachen musste.
»Trotzdem hast du Recht, Jumana«, fuhr sie fort.
»Seine Wahl würde auf einen entlegenen Ort fallen. Nicht in der Nähe der Dörfer, sondern eher in Richtung Wüstengebirge, wo er sie hinlocken könnte, ohne dass er sich zu erkennen geben muss.«
»Aber«, wandte Daoud ein, »von dort würden sie fliehen können. Wie sollte er sie daran hindern? Es sei denn …«
Eine schnelle Auffassungsgabe war nicht unbedingt Daouds Stärke, dennoch hatte er hin und wieder einen seiner seltenen Geistesblitze. Sie warteten darauf, dass er fortfuhr.
»Es sei denn, es wäre irgendeine Felsspalte oder dergleichen«, überlegte Daoud, seine Stirn angestrengt gekraust. »Ohne jede Fluchtmöglichkeit. Sobald sie versuchen würden herauszukommen oder sich hochzustemmen, könnte er sie davon abhalten – er brauchte nur mit einem ordentlichen Knüppel oben am Rand zu stehen. Wenn er schnell und geschickt ist, reicht schon ein geziel ter Schlag.«
Seine schlichte Darstellung suggerierte ein lebhaftes und sehr hässliches Bild. »Du sprichst von einem Grab«, meinte Ramses gedehnt. »Oder einer Höhle. Bestimmt wären sie nicht so töricht, in eine erkennbare Falle zu tappen – nicht beide auf einmal …« Er erhaschte Nefrets Blick und schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
»Hölle und Verdammnis! Sie würden es tun, nicht? Vor allem Mutter. Daoud,
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