Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
tun, was du sagst.«
Mein Besuch bei Selims Frauen war wesentlich fröhlicher. Sie waren beide jung und hübsch und ich muss gestehen – obwohl ich die Polygamie nicht befürworte –, dass sie eher wie zwei liebevolle Schwestern wirkten und nicht wie Rivalinnen. Selim war ein nachsichtiger Gemahl, der gewisse westliche Lebensmuster übernommen hatte; dank seiner Motivation hatten beide die Schule besucht. Sie boten mir einen Stuhl und brachten Tee und Kaffee, Ramses und Emerson waren bereits versorgt. »Trink ruhig was«, sagte mein Sohn, der auf einer Bank saß und so tat, als hätte er die ganze Zeit nichts anderes gemacht. (In der Tat hatte er Yusufs Haus beobachtet; ich hatte genau gesehen, wie er sich duckte, als ich näherkam.) »Selim braucht noch eine Weile. Er will sich für das Essen umziehen.«
»Du warst nicht lange weg«, meinte Emerson. »War Yusuf nicht da?«
»Er ist in der Moschee. So wurde mir wenigstens gesagt.«
»Für einen Mann, der kein Gewissen hat, verbringt er viel zu viel Zeit im Gebet«, sagte mein zynischer Gatte. Selim tauchte schließlich auf, sehr geschmackvoll mit gestreifter Seidenweste und cremeweißer Robe, und wir verabschiedeten uns von den Damen und dankten für ihre Gastfreundschaft.
Nefret nahm uns an der Haustür in Empfang. Ich fand, dass sie ein bisschen entnervt aussähe, und rechnete schon mit einer kleineren Katastrophe. Dann tauchte der Anlass für das Dilemma auf und umarmte Ramses stürmisch. »Ich konnte es ihr einfach nicht abschlagen«, flüsterte Nefret. »Sie wollte so gern kommen.«
»Das ist auch schwierig, wenn Sennia sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hat«, seufzte ich resigniert, unterdes umarmte Sennia, strahlend und gerüscht von Kragen bis Kniekehle, Emerson und Selim. »Schätze, das bedeutet, dass Horus und die Große Katze des Re ebenfalls mit uns speisen?«
»Aber nicht an unserem Tisch.« Nefret lächelte verschmitzt. »Wenigstens hoffe ich das nicht.«
»Und wo ist Gargery?«
Nefret gestikulierte hilflos. »In der Küche bei Fatima.
Er hat darauf beharrt, sämtliche Vorbereitungen zu treffen, und er verscheucht jeden, selbst mich! Soll ich ihn zu uns an den Tisch bitten?«
»Das würde er nie tun. Er ist sehr konservativ, was gesellschaftliche Etikette angeht. Trotzdem wird ihm kein Wort entgehen.«
Die Ankunft der Vandergelts unterbrach unser Gespräch. Alle schlenderten in den Salon; aber Nefret zog mich noch kurz beiseite und raunte mir zu: »Heute Morgen habe ich meinen Kleiderschrank inspiziert, Mutter. Es fehlen ein paar Sachen.«
»Aha. Das dachte ich mir. Ich werde mich darum kümmern, mein Kind. Überlass es ruhig mir.«
»Aber gern, Mutter.«
Die Große Katze des Re hatte inzwischen ungefähr die Ausmaße einer Melone und musste von Ramses erst krallenweise entfernt werden, ehe wir ins Esszimmer vordringen konnten. Ich hatte den Raum noch nicht möbliert gesehen. Er wirkte ausgesprochen gediegen – schöne alte Teppiche auf dem Boden, einige antike Truhen, und auch der Tisch, eingedeckt mit einem der feingewebten Tischtücher, die Nefret in Luxor gekauft hatte, und mit dem Chinaporzellan, einem Hochzeitsgeschenk von Cyrus und Katherine.
Unter bewundernden Ahs! und Ohs! setzten wir uns, und Gargery, in voller Butlermontur, kredenzte den Wein. Ich hätte mir denken müssen, dass er die Gelegenheit nutzen würde, bei einem formellen Diner aufzukreuzen; er hielt Emerson und mich für sehr nachlässig, was die Ausübung unserer gesellschaftlichen Pflichten anging.
Dann trat er dienstbeflissen zurück, hoch konzentriert, während die beiden jungen Ägypterinnen das Essen servierten.
Die meisten Leute hätte sein kritisch-beschwörender Blick genervt, ganz zu schweigen von dem Vortrag, den er zweifellos vorher gehalten hatte. Ghazela, das kräftige vierzehnjährige Mädchen, schien davon unberührt und kicherte nur gelegentlich, Najia dagegen schlich umher wie ein Geist und überließ Ghazela den Großteil der Arbeit. Das Geburtsmal war nicht mehr ganz so auffällig.
Nefret musste ihr irgendeine Kosmetik gegeben haben, die den Fleck kaschierte.
Es ist nahezu unmöglich, in unserem Kreis oberflächlichem Gesellschaftsklatsch zu frönen, überdies waren die interessanten Ereignisse des Vortages noch frisch in der Erinnerung. Ich wusste, dass Sennia das Thema aufbringen würde, sofern Gargery nicht irgendeine Möglichkeit fand, davon anzufangen.
Das Kind hatte sich schnurstracks neben Emerson gesetzt und schnitt ihm
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