Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
machen.«
»Wie beispielsweise ein weiterer Mordanschlag auf uns?«
Emerson schüttelte sich vor Lachen und schlang seinen Arm um mich. »Exakt. Es wird Zeit für den Tee. Lass uns nach unten gehen. Leisten die Kinder uns Gesellschaft?«
»Wenn du Nefret und Ramses meinst, dann lautet die Antwort nein. Ich habe vorgeschlagen, dass sie den Tee zur Abwechslung einmal ohne uns einnehmen.«
»Warum sollten sie?«, fragte Emerson verblüfft.
»Also wirklich, Emerson, von dir hatte ich diese Frage am allerwenigsten erwartet.«
»Oh«, murmelte Emerson.
»Jumana und Sennia werden dich stattdessen unterhalten.«
Die beiden Mädchen saßen auf der Veranda und wirkten sehr selbstzufrieden.
»Seht nur, was Jumana mir gegeben hat«, rief Sennia.
»Es sei denn, das Museum nimmt sie dir wieder weg«, warnte Jumana.
»Ja, das hast du gesagt, aber Mr Quibell wird sie mir ganz bestimmt schenken, er ist ein sehr netter Mann.«
Es war die kleine Stele mit den beiden Katzen, die Bertie kopiert hatte. Ich bewunderte sie erneut, unterdes lächelte Emerson die beiden versunken an. Sennia hatte Jumana nie sonderlich gemocht, vielleicht weil sie um Jumanas Schwärmerei für Ramses wusste. Ich konnte Jumana nachsehen, dass sie Sennias Freundschaft gewinnen wollte. Und ein Geschenk ist der sichere Weg, um ein Kind nachhaltig zu beeinflussen.
Fatima brachte den Tee, Emerson beschäftigte sich mit seiner Pfeife, und ich begann, die Post durchzusehen. Die Briefe und Mitteilungen, die ich sortierte, hatten sich über mehrere Tage angesammelt; ich legte die an Nefret oder Ramses adressierten Umschläge beiseite und öffnete die an Emerson gerichteten, bevor ich sie ihm gab.
»Howard Carter, ver … verflixt und zugenäht«, blökte Emerson und angelte sich einen der Briefe. »Das wurde auch Zeit, dass der sich meldet. Hör dir das an, Peabody, er schreibt, dass er nicht nach Luxor kommt –«
Er stockte mitten im Satz und sah auf. »Peabody? Ist irgendwas?«
»Nein, nichts.« Ich zwang mich zu einem Lächeln. Sennia, die bei den kleinsten Nuancierungen sogleich aufhorcht, vor allem, wenn sie sie nicht bemerken soll, fragte: »Was ist denn, Tante Amelia?«
»Nichts«, wiederholte ich. »Nimm noch einen Keks, mein Kind.«
Ich reichte Emerson die Depesche, die meinen Stimmungswechsel herbeigeführt hatte. Es war ein Telegramm, adressiert an Ramses, mit dem Stempel des Oberbefehlshabers der ägyptischen Expeditionsstreitkräfte.
Wir würden bis nach dem Abendessen warten müssen, um herauszufinden, was in diesem verfluchten Telegramm stand. Wenn ich Emerson nicht ständig beobachtet hätte, hätte er es höchstwahrscheinlich aufgerissen – und umgekehrt. Es unverzüglich dem Adressaten auszuhändigen, stand ebenfalls außer Frage; wenn wir spontan aufgebrochen wären, hätte Sennia sich über unsere Hektik gewundert. Wie Emerson später einräumte, hatte es ihm unter den Nägeln gebrannt, den Inhalt des Telegramms zu erfahren. Zum Glück für seine und meine Nerven kamen die Kinder frühzeitig, um Sennia eine gute Nacht zu wünschen, bevor sie zu Bett ging.
»Whisky-Soda, mein Junge?«, erkundigte sich Emerson, seine sonore Stimme seltsam gepresst in dem Bemühen, weder zu brüllen noch zu fluchen.
»Danke, Sir.« Emersons Bestürzung wäre selbst dann aufgefallen, wenn sein Sohn nicht so sensibel gewesen wäre. »Wie ich sehe, haben du und Mutter schon einen intus.«
»Zwei«, berichtigte ich. »Ja, ja, Sennia, du hast schon allen einen Gutenachtkuss gegeben; lauf jetzt.«
Die Dunkelheit war hereingebrochen; der Abendwind spielte mit den Zweigen. Die von Glasschirmen umhüllten Öllampen brannten gleichmäßig ruhig. »Was ist denn, Mutter? Ist Katherine oder Cyrus etwas zugestoßen oder –«
»Nein, mein Schatz, und deine Frage erinnert mich an einen meiner bevorzugten Aphorismen –«
»Sag jetzt nichts, Peabody!«, entsetzte sich Emerson.
»Ganz wie du meinst, Emerson. Dies ist ein so marginales Problem, verglichen mit anderen, dass wir dankbar sein sollten für –«
»Und fang nicht an zu interpretieren. Hier.« Emerson reichte seinem Sohn das Telegramm.
»Hmmm«, sagte Ramses, den Umschlag inspizierend.
»Nun öffne ihn doch schon!«, drängte ich.
Vorher stellte er noch sein Glas ab und bemerkte unbeeindruckt wie stets: »Habt ihr das schon den ganzen Nachmittag? Es überrascht mich, dass ihr euch so aufregt über …« Er überflog den Inhalt und las dann laut vor:
Ihre Assistenz in dringender Sache
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