Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
Gedanken, blickte auf. »Oh, kaum der Rede wert«, sagte er sarkastisch. »Die türkischen Verteidigungslinien ausspionieren, Schwachstellen lokalisieren und im Weiteren eruieren, ob der Gouverneur eine Bestechung akzeptieren würde.«
»Reg dich nicht auf, Mutter. Ich habe nicht die Absicht, dergleichen zu tun«, sagte Ramses rasch. »Die verantwortlichen Burschen sind immer noch der Ansicht, ›der Kümmeltürke‹ sei ein unverbesserlicher Feigling. Man sollte doch meinen, dass sie aus Rafa und Gallipoli gelernt haben.«
»Nun, der Verstand eines Offiziers arbeitet eben langsam«, räumte ich ein. »Planen sie einen direkten Angriff auf Gaza?«
»Sie haben mich nicht ins Vertrauen gezogen«, sagte Ramses trocken. »Ich würde den verdammten Gouverneur bestechen, wenn ich könnte. Es würde etliche Leben retten.«
»Du kannst es aber nicht«, bekräftigte Emerson. »Wie dem auch sei, von Kressenstein ist der verantwortliche Kommandeur in Gaza. Er würde dich erschießen, wenn du ihm ein Bestechungsgeld anbieten würdest. Halte dich an dein vorrangiges Ziel, mein Junge, und verschwinde aus Gaza, so schnell du kannst.«
»Ja, Sir«, erwiderte Ramses.
»Wann brichst du auf?«, fragte Nefret gefasst.
»Die entsprechenden Vorkehrungen werden eine Weile in Anspruch nehmen«, entgegnete Ramses. Als sie ihn vorwurfsvoll ansah, fuhr er fort: »Ich bin nicht absichtlich so vage, mein Schatz. Ich muss alles über die derzeitigen Stellungen in Südpalästina erfahren, ehe ich mich für die günstigste Passage in die Stadt entscheide. Dann wäre da noch das kleine Problem des Transports. Die Eisenbahnlinie führt bis nach Rafa, aber es handelt sich größtenteils um Militärverkehr, und wenn ich als britischer Offizier zu reisen versuchte, müsste ich Befehle von Leuten entgegennehmen, die gar nicht wissen, was es mit mir auf sich hat, oder man müsste zu viele von diesen Militärtypen in das Geheimnis einweihen. Ich möchte nicht einmal, dass Cartright von meinen Plänen erfährt: Ich habe höflich mehrere seiner Vorschläge abgelehnt.«
»Du traust ihm nicht?«, fragte ich.
Ramses fing an, hektisch im Raum auf und ab zu gehen. »Ich traue keinem von dieser Bande. Ich weiß immer noch nicht, wie Bracegirdle-Boisdragon in das Ganze hineinpasst; er hat keinen weiteren Versuch unternommen, mit uns zu kommunizieren, und als ich Cartright eine geschickt formulierte Frage gestellt habe, informierte er mich steif, dass ich meine Befehle ausschließlich von ihm bekäme.«
»Wie ich schon sagte, die üblichen Geheimdienst-Rivalitäten.« Emerson verzog spöttisch die Lippen. »Sie halten mehr vor einander geheim als vor dem Feind.«
Ramses zuckte mit den Achseln. Er hatte alles gesagt, was er zu dem Thema beisteuern wollte.
»Wie kommen sie darauf, dass Sethos – wenn er es denn ist – in Gaza bleiben wird?«, wollte ich wissen. »Ramses, du wirst ihm doch nicht etwa nach Konstantinopel oder Jerusalem nachspionieren?«
»Selbst wenn er bei meinem Eintreffen bereits fort ist, wird es Neuigkeiten von ihm geben. Wir werden einfach abwarten und sehen müssen.«
Jetzt war er absichtlich ausweichend, das fiel uns allen auf. Trotzdem hatte er Recht: Es war unmöglich, im Voraus zu planen.
In den folgenden Tagen konzentrierten wir uns auf unsere unterschiedlichen Belange. Auf meinen Vorschlag hin hielten wir den Vorwand aufrecht, dass wir aus persönlichen Gründen in Kairo weilten – ein Kurzurlaub fern der Familie, die Notwendigkeit, kleinere Recherchen im Museum vorzunehmen. Abend für Abend aßen wir auswärts in einem der Hotels, gaben uns so gelassen wie irgend möglich, und falls Emerson die Kellner häufiger als sonst anbrüllte, so dachte sich keiner etwas dabei.
An einen jener Abende erinnere ich mich besonders gut. Nach einem hervorragenden Dinner im Shepheard’s verweilten wir bei Kaffee und lauschten dem Orchester, das ein Potpourri aus der Lustigen Witwe zum Besten gab. Emerson riss sich aus seinen brütenden Überlegungen, als er die vertrauten Walzerklänge hörte, und fragte, ob ich Lust auf ein Tänzchen hätte. Ich wies ihn darauf hin, dass noch niemand tanzte. Bald darauf betraten mehrere Paare die Tanzfläche. Emerson fragte mich erneut, und ich wies ihn darauf hin, dass dies kein Walzertakt sei. Es handelte sich um eines der neueren, populären Chansons, die Ramses irgendwann einmal als Instrumentarien zur Kriegstreiberei bezeichnet hatte, mit ihren sentimentalen Bezügen zu Liebe, Pflichterfüllung
Weitere Kostenlose Bücher