Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
britischen Expeditionsstreitkräfte gedient hatte. Eine Begegnung mit Emerson würde seinem Nervenleiden nicht unbedingt förderlich sein.
»Ich habe Sie nicht hergebeten, Professor Emerson«, sagte er steif.
Das Büro war gediegen, beinahe luxuriös eingerichtet, mit dicken Lederfauteuils und Orientteppichen. Die großen Fenster hinter dem Schreibtisch boten einen Blick auf Palmengärten. Der Nebel hatte sich gelichtet; es würde ein schöner Tag werden.
»Nein?« Emerson setzte sich und holte seine Pfeife heraus. »Nun, wenn Sie es nicht waren, dann war es einer Ihrer Speichellecker, und dann müssten Sie es eigentlich wissen. Sie sind mir ein schöner Befehlshaber.«
Murray begann, die Papiere auf seinem Schreibtisch zu durchwühlen. Emersons Taktiken waren brutal, aber wirkungsvoll; die Hände des Generals bebten vor Zorn. Er durfte einen Zivilisten – schon gar nicht jemanden von Emersons Reputation – nicht zurechtweisen, wenngleich er das nur zu gern getan hätte! Nachdem er mehrmals tief Luft geholt hatte, fischte er ein Dokument aus dem Stapel, starrte darauf und läutete einem Assistenten. Eine leise geführte Unterhaltung schloss sich an. Ramses, dessen Gehör hervorragend war, schnappte nur ein paar Brocken auf: »… Teufel noch, was denkt er, was er machen …«
»Hat Ihre Mutter Ihnen nicht beigebracht, dass es unhöflich ist, in Gegenwart Dritter zu flüstern?«, erkundigte sich Emerson, ein glimmendes Streichholz auf den Boden werfend.
Murray hatte die Gesichtsfarbe eines Mannes, der sich die meiste Zeit in Räumen aufhält. Jetzt liefen seine teigigen Wangen rot an. »Professor Emerson, ich habe nicht um ein Gespräch mit Ihnen gebeten, aber da Sie einmal hier sind, kann ich ein paar Minuten erübrigen, um Ihnen den Ernst der Lage zu schildern. Von nun an werden Sie von jemand anderem Befehl erhalten.«
Oh Gott, dachte Ramses, ist der Mann von Sinnen oder hat er noch nie von Vater gehört? Der letzte Satz hatte die von ihm erwartete Wirkung. Emersons Augen wurden schmal, und er sprach mit der gefährlich schnurrenden Stimme, die seine Mitmenschen fürchten gelernt hatten.
»Der Einzige, von dem mein Sohn Befehle entgegennimmt, bin ich, General. Und ich akzeptiere sie von niemandem – außer von ihm.«
Ramses’ Kinnladen klappte auf. Sein Vater hatte sich bei einigen Gelegenheiten auf ihn berufen – zu seiner größten Verblüffung-, aber dies war das erste Mal, dass er ihm ein solches Kompliment machte.
»Wenn die Situation es erfordert«, fügte Emerson hinzu. »Wir können ebenso gut gehen, Ramses.«
Die Tür sprang auf. Murray richtete seine vorwurfsvollen Augen auf den Neuankömmling. Nicht Smith, sondern Cartright. »Warum haben Sie mir nicht berichtet, dass die Emersons kommen?«, erkundigte sich der General.
»Ich wusste nichts davon, Sir. Das Letzte, was ich von ihnen gehört habe, stand in einem kurzen Telegramm, in dem sie meine Bitte um ihre Unterstützung abschlägig beschieden. Ich hatte vor, in den nächsten Tagen persönlich nach Luxor zu reisen.«
Ramses fing den fragenden Blick seines Vaters auf. Offensichtlich kamen Emerson dieselben Zweifel wie ihm. Wenn diese Bande nichts von Smiths Besuch wusste, würde er das Thema ganz bestimmt nicht aufbringen. Ramses schüttelte kaum merklich den Kopf, und Emerson sank wieder in seinen Sessel. »Dann«, schnurrte er, »ist das also die Person, von der mein Sohn Befehle entgegennehmen soll?«
»Sie täuschen sich, Professor«, sagte Cartright unumwunden. »Wir bitten um seine Hilfe, wir befehlen ihm nichts.«
»Er hat ›bitte‹ gesagt«, erinnerte Ramses seinen Vater. »Vielleicht sollten wir uns doch anhören, was er zu sagen hat.«
Emerson stapfte in den Raum, warf sich in einen Sessel und nahm seine Pfeife heraus. Nefret hatte seinen Daumen und seine Finger nicht mit eingegipst, und inzwischen benutzte er wieder beide Hände, gegen ihren Rat und meine Anordnung. Der Gips schien ihn nicht im Geringsten zu stören. Er stopfte Tabak in die Pfeife, krümelte dabei noch mehr als sonst. Ramses folgte ihm, seine Miene undeutbar. »Und?«, forschte ich. »Wie war’s?«
Ramses’ Züge entspannten sich zu einem Grinsen. »Vater hat General Murray mit einem Kinnhaken gedroht.«
»Ach so«, sagte ich. »Nun, das war zu erwarten, nachdem der General deinen – äh – Sethos des Verrats beschuldigt hat.«
»Widerling«, zischte Emerson, das Pfeifenmundstück zwischen den Zähnen. Mir war klar, dass er damit nicht seinen
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