Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
sie. »Ist es das?«
»So wird das Spionagespiel eben gespielt«, Ramses’ Stimme war hart, seine Miene abwesend. »Attentat, Verrat, Korruption – unter dem Deckmantel des Patriotismus wird vor nichts zurückgeschreckt. Ob er nun schuldig ist oder in Haft, er kann wertvolle Informationen preisgeben. Cartright wollte mir zwar nicht sagen, worum es sich dabei im Einzelnen handelt, aber sie scheinen immerhin brisant genug, um ihn zu einer extremen Gefahr zu machen.«
Ich räusperte mich. »Du hast dich natürlich bereit erklärt.«
Ramses kam mit seinen langen Schritten zu mir, beugte sich vor und küsste meine Wange. Eine seltene Geste von ihm, und ich wertete sie als das Kompliment, als das sie auch gemeint war. »Ich hätte es getan, Mutter, hätte ich davon ausgehen können, dass sie mir glauben. Murray hätte mir das abgenommen; er vermag sich überhaupt nicht vorzustellen, dass man sich seinen Befehlen widersetzen kann, und er weiß auch nicht, dass es mein Onkel ist, auf den ich das Attentat verüben soll. Nicht dass ihm dies auch nur das Geringste ausmachen würde.«
» Wenn deine Hand sich versündigt, hack sie ab «, murmelte ich.
Ich hätte es besser wissen müssen, als die Heilige Schrift zu zitieren, wenn Emerson bereits übellaunig ist. Seine buschigen Brauen zogen sich zusammen, doch bevor er losbrüllen konnte, fuhr Ramses fort. »Cartright kennt mich gut genug, um zu vermuten, dass ich ein Attentat vereiteln würde, also sind wir zu einem Kompromiss gelangt. Ich werde mir Ismail Pascha ansehen und mich vergewissern, ob er Sethos ist und ob die Türken ihn gegen seinen Willen festhalten.«
»Das ist ein ziemlich heikler Auftrag«, sagte ich.
»Der erste Teil dürfte nicht allzu schwierig sein. Er wird sich in der Öffentlichkeit zeigen, genau wie in Konstantinopel. Ich hoffe nur, dass er sein Aussehen nicht so sehr verändert hat, dass ich ihn nicht wiedererkenne.«
»Und dann?«, erkundigte sich Nefret.
Ramses zuckte die Schultern. »Bei einer Gleichung mit so vielen Unbekannten kann man nicht allzu weit vorausplanen. Zunächst einmal konzentriere ich mich auf diese erste Begegnung. Der nächste Schritt hängt davon ab, was ich dabei erfahre oder auch nicht.«
»Kannst du denn unauffällig in der Stadt ein- und ausgehen?«, fragte ich, bemüht, meine Bedenken zu überspielen.
»Oh, ich denke doch. Das Problem ist, Cartright hat darauf bestanden, dass ich jemanden mitnehme.«
»Für zwei ist es sicherer als für einen«, sagte Nefret hoffnungsvoll.
»Nicht, wenn einer von den beiden frisch von der Schulbank kommt«, schnaubte Emerson. »Blond, jung, spricht ein Arabisch wie aus dem Lehrbuch, stammelt vor Aufregung bei der Aussicht, Spion spielen zu …« Emerson endete mit einem emphatischen »Pfui Teufel!« und widmete sich wieder dem Stopfen seiner Pfeife.
»So inkompetent kann er nun auch nicht sein«, protestierte Nefret.
»Ha! Erinnerst du dich an Leutnant Chetwode?«
»Oha«, seufzte ich. »Doch nicht etwa dieser naive junge Mann mit dem Kinderpopogesicht, der mit Cartright in Deir el-Medina war?«
»Cartright beteuert, er sei sein bester Mann«, warf Ramses ein. »Er muss älter und weniger naiv sein, als er aussieht, da er seit mehr als zwei Jahren beim Geheimdienst ist.«
»Und was macht er da?«, erkundigte sich Nefret. »Hinter einem Schreibtisch sitzen und Berichte schreiben?«
»Was soll’s?«, meinte Emerson. »Seine Aufgabe ist nicht, Ramses zu unterstützen, sondern sicherzustellen, dass er seinen Auftrag erfüllt. Dieser Halunke Cartright traut ihm nicht.«
Nefret stieß einen üblen Fluch aus. Ich gab zu bedenken: »Er ist entsetzlich misstrauisch. Offen gestanden würde ein vernünftigerer Mensch als Ramses für ein paar Tage untertauchen und dann berichten, dass Ismail Pascha nicht der von ihnen gesuchte Mann sei. Vielleicht, wenn ich ein kurzes Gespräch mit General Murray führen –«
»Nein, Mutter«, sagte Ramses höflich, aber bestimmt. »Er hätte den Plan verworfen, wenn ich Chetwode nicht akzeptiert hätte. Er ist ein netter Junge und nicht so stümperhaft, wie Vater ihn darstellt. Es wird alles gut werden.«
»Jedes Mal, wenn du das sagst, passiert ein Unglück«, seufzte ich.
»Jetzt übertreib nicht, Mutter. Nicht jedes Mal.« Er war wieder ganz der Alte, sein Grinsen breit und optimistisch, indes suggerierte mir meine mütterliche Besorgnis, dass er irgendetwas vor uns verbarg.
»Welche anderen Befehle hast du?«, bohrte ich.
Emerson, tief in
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