Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
Ehe«, gestand Cyrus. »Sie stammt aus einer der besten Familien in Boston, und Joe ist ein Niemand. Keiner konnte sich erklären, warum sie ihn geheiratet hat; aber jetzt lebt sie wie eine Königin – und der Junge wuchs heran wie ein Prinz.«
Ich hatte kein sonderliches Interesse, mit irgendeinem von den Albions zu plaudern, also ging ich von einer Gruppe zur anderen und kümmerte mich besonders um die, die fremd waren oder sich nicht zu amüsieren schienen. Es war meine Pflicht, aber ich kann nicht sagen, dass ich sie gern erfüllte; die meisten Gentlemen redeten ohnedies von nichts anderem als dem Krieg. Emerson hatte Recht behalten; die Deutschen hatten einen U-Boot-Krieg angekündigt, auf alle Schiffe der alliierten und neutralen Nationen. Dies brachte die derzeitigen Touristen in eine etwas prekäre Lage. Einer von ihnen, ein hoch aufgeschossener, zurückhaltender Amerikaner namens Lubancic, betrachtete die Sache philosophisch.
»Sie können es nicht lange durchhalten. Das wird die amerikanische Regierung aufbringen, und es würde mich nicht wundern, wenn wir schon ziemlich bald mit drinsteckten. Egal«, fügte er lächelnd hinzu, »es ist gar nicht so übel, in Ägypten festzusitzen. Hier gibt es viel zu sehen und zu tun, und die Preise sind niedrig, nachdem der Tourismus zum Erliegen gekommen ist. Meinen Sie, es besteht die Möglichkeit, dass ich ein bisschen mitgraben kann, Mrs Emerson? Schätze, es gibt jede Menge Einheimische, die sich anwerben lassen.«
Es war eine häufig gestellte Frage; die wenigsten Ägyptenbesucher wussten um die diesbezüglichen Vorschriften, und viele glaubten ganz naiv, dass man nur graben müsste, um einen prächtigen Schatz zu finden. Ich fand es zwar schade, Mr Lubancic die Illusion nehmen zu müssen, denn er schien mir ein ganz passabler Bursche, dennoch sah ich mich veranlasst, ihn aufzuklären.
»Man muss eine Genehmigung der Antikenverwaltung vorweisen können, und alle Exkavationen müssen von einem erfahrenen Archäologen überwacht werden. Momentan gibt es davon nicht viele.«
»Die Engländer und die Franzosen haben anderes im Kopf als die Archäologie«, warf ein anderer Gentleman ein. »Der Krieg an dieser Front scheint allerdings erfolgreich zu verlaufen. Die Senussi ziehen sich zurück, und die Türken wurden aus dem Sinai vertrieben.«
»Aber die britische Vorhut hat vor Gaza Halt gemacht«, wandte Mr Lubancic ein.
»Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir Gaza besetzen«, sagte ein Militärbeamter und zwirbelte seinen gewaltigen Schnurrbart. »Diese Kümmeltürken sind doch keine Bedrohung für uns.«
Seine Dienstabzeichen wiesen ihn als Stabsmitglied aus, und seine massige Statur und das gerötete Gesicht legten die Vermutung nahe, dass er den Krieg hinter einem Schreibtisch in Kairo ausgefochten hatte. Ein weiterer, jüngerer Offizier musterte ihn mit kaum verschleierter Verachtung. »Diese Kümmeltürken waren eine ziemliche Bedrohung in Rafa, und Gaza wird auch nicht leicht einzunehmen sein. Rings um die Stadt befinden sich Schützengräben, und sie haben überall Festungswälle angelegt – von Gaza bis Beersheba.«
Das Gespräch mündete in eine Strategiediskussion, und ich entschuldigte mich. Die entlegene Stadt Gaza interessierte mich nun wirklich nicht.
Aus Manuskript H
Cyrus’ Soiree war wie alle seine Partys – elegant, vornehm und voller anödender Leute. Ramses hielt Cyrus für einen kompetenten Gesprächspartner, wenn keine Fremden zugegen waren; er konnte nicht verstehen, wie ein Mann freiwillig eine derart versnobte Bande um sich ertrug, ja sie sogar einlud. Er hatte keine Lust zu reden. Seine Familie hatte sich zerstreut; seine Mutter plauderte mit Katherine. Nefret »vergnügte« sich, und sein Vater, dessen gesellschaftliche Umgangsformen seine Frau verzweifeln ließen, ignorierte alle Anwesenden und strebte geradewegs zu Bertie. Sein wildes Gestikulieren und Berties respektvolle Haltung vermittelten Ramses, dass sein Vater ihre Exkavation in Deir el-Medina schilderte und wie im Weiteren zu verfahren sei.
Jumana war mitgekommen, sehr hübsch in einem blassgelben Kleid, das ihre braune Haut und ihr glänzendes schwarzes Haar unterstrich. Ramses fragte sich, wie ihr solche Feste gefallen mochten. Selbst ihr ausgeprägtes Selbstbewusstsein musste inmitten so vieler Fremder einen leichten Dämpfer bekommen, denn viele ignorierten oder brüskierten sie. Das hätten sie bei keinem anderen von Cyrus’ Gästen gewagt, aber sie war
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