Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
solchen Fund zufrieden geben. Versiegelt und seit mehr als dreitausend Jahren unangetastet, die Holztür noch immer fest in ihren Angeln, vollgepackt mit Möbeln und Leinen und …«
»Hören Sie zu«, sagte Emerson unwirsch. »Die Dokumentation hat oberste Priorität. Unsere verfluchten Vorgänger haben ihre Aufzeichnungen nie publiziert, wenn sie überhaupt welche gemacht haben, also müssen Sie ganz von vorn anfangen. Ein paar von den Gräbern sind bekannt und offen, und ein Teil ist freigelegt …«
Cyrus wurde nervös, und ich sagte: »Ganz recht, Emerson, wir haben verstanden.«
»Und«, Emerson hob die Stimme, »Sie werden Ihre Ausgrabungen in Medinet abschließend sichern müssen. Alles, was Sie gefunden haben, ist Witterung und Vandalen ausgesetzt. Wir gehen später dorthin und entscheiden, was getan werden muss.«
Wir ließen Selim als Verantwortlichen zurück und brachen nach dem Mittagessen zu dem Tempel auf. Es war ein milder, friedlicher Nachmittag, mit strahlendem Sonnenschein und einer leichten Brise; eine von Mr Cook’s Reisegesellschaften machte einen Nachmittagsausflug, die Touristen schlenderten durch die Tempelruinen und fotografierten mit ihren Kameras. Emerson maß sie mit finsterer Miene. Sie sahen in der Tat ein bisschen albern aus mit ihren Pseudo-Tropenhelmen und Schleiern, ihre Gesichter krebsrot vom Sonnenbrand. Manche waren mit Feldstechern, Wasserflaschen, Kompassen und anderen Accessoires ausstaffiert und kamen sich vermutlich sehr professionell vor.
»Wahrscheinlich haben einige sogar Acetylen- oder Magnesiumlampen dabei«, murrte Emerson. »Verflucht, wissen sie denn nicht, dass sie diese nicht benutzen dürfen?«
»Vermutlich nicht«, erwiderte ich.
»Dann werde ich es ihnen erklären. Komm, lass uns nachsehen, ob diese Ignoranten in unseren Tempel eingedrungen sind. Die Wände verräuchern, ihre verfluchten Namen einritzen …«
Grummelnd steuerte er auf eine Gruppe zu, die auf die gähnenden Fensternischen im Obergeschoss des Turms starrte, und während ich ihm folgte, bemüht, eine unangenehme Szene zu vermeiden, vernahm ich den Vortrag des Fremdenführers. »Dieser Turm, meine Damen und Herren, war der Harem des berühmten Ramses, wo er sich mit seinen wunderschönen Konkubinen amüsierte. Die Böden sind eingestürzt, sodass Sie die Wandreliefs leider nicht begutachten können, aber sie zeigen den König, ruhend auf einer bequemen Ottomane, währenddessen liebkosen die Konkubinen –«
»Falsch!«, brüllte Emerson. »Verflucht, Nazir, und das weißt du ganz genau! Warum tischst du diesen Volltrotteln solche Lügen auf?«
Unter den Touristen erhob sich verblüfftes Gemurmel; mehrere Damen traten hinter ihre Ehemänner. Der Anblick von Emerson, wutschnaubend und in Riesensätzen auf dem Vormarsch, jagt furchtsamen Gemütern einen Mordsschrecken ein. Nazir, der seine Launen gewohnt war, grinste nur und schüttelte den Kopf.
»Aber genau das wollen sie doch hören, Vater der Flüche«, bemerkte er auf Arabisch.
»Pah«, schnaubte Emerson. »Verbiete ihnen, diese verdammten Magnesiumlampen zu benutzen. Mehr will ich ja gar nicht.«
Er schob sich durch die Menge und strebte geradewegs zu den saitischen Kapellen, wir anderen ihm dicht auf den Fersen. Schockiert gewahrte ich, dass seine Befürchtungen gerechtfertigt waren. Mehrere Personen hatten die Absperrseile und die Verbotsschilder rings um das Ausgrabungsgelände einfach ignoriert und gingen in der Kapelle ein und aus. Im Innern zuckte ein Lichtblitz auf, als eine Magnesiumlampe aufflammte. Emerson fing an zu rennen.
»Beeil dich und halt ihn auf, Ramses«, stammelte ich. »Lass nicht zu, dass er handgreiflich wird!«
»In Ordnung, Mutter.« Ramses war als Einziger von uns so behände wie sein Vater. Nur gut, dass ich das Schlimmste angenommen hatte; wir fanden sie im Innern der hübschen kleinen Kapelle von Amenirdis, in Konfrontation mit einem Touristentrio. Ramses hatte sich zwischen sie und seinen Vater gestellt, der lautstark fluchte.
»Verdammt!«, zischte ich. »Schon wieder diese entsetzlichen Albions. Was wollen sie?«
»Eine kleine Besichtigungstour, sollte man annehmen«, antwortete Nefret. Sie ging zu Emerson und hakte sich bei ihm ein. »Guten Tag allerseits.«
Die Albions schien Emersons Tirade nicht zu stören. Nach seinem breiten, schrumpeligen Apfelbäckchen-Grinsen zu urteilen, hatte Mr Albion jedes einzelne Wort genossen. »Der kann wirklich fluchen«, stellte er bewundernd fest. »Wenn es
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