Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
gar nicht erzählt, was er neulich Abends über Jumana gesagt hat.«
Er wiederholte die abfällige Äußerung. Cyrus lief zornesrot an und Emerson knurrte: »Zum Teufel mit der miesen Ratte! Warum hast du mir das verschwiegen? Ich hätte –«
»Ich auch, aber Nefret hat mich daran gehindert«, führte Ramses aus. »Ich habe es auf mich genommen, die Fronten zu klären. Es ist nichts Schlimmes passiert.«
»Und dabei wollen wir es auch belassen«, bekräftigte Cyrus.
»Ganz recht«, räumte ich ein. »Was haltet ihr von seinem irrwitzigen Vorhaben, im Tal der Könige zu graben?«
»Es hat mich verblüfft«, gestand Ramses. »Besucher verfallen zwar gelegentlich dem Irrglauben, dass sie überall graben können, aber er sollte es doch wirklich besser wissen. Wollte er uns vielleicht nur provozieren?«
»Sie sind beinahe so misstrauisch veranlagt wie Ihre Mutter«, sagte Cyrus.
»Meine Ma «, korrigierte Ramses. »So hat Mr Albion sie jedenfalls neulich Abend genannt. Vater, wie würde es dir gefallen, wenn ich dich mit Pa anredete?«
»Nicht besonders«, raunzte Emerson.
»Ihr nehmt sie zu ernst«, konstatierte ich. »Sie sind ziemlich ignorant und irgendwie Nerven aufreibend, und wir wollen so wenig wie möglich mit ihnen zu tun haben. Hast du schon eine Idee, wie du hier im Weiteren verfahren willst, Emerson?«
»Wie ich hier im Weiteren verfahren will?«, sagte Emerson mit Grabesstimme. »Ich werde das ganze Gelände verbarrikadieren und jeden verfluchten Touristen erschießen, der einzudringen versucht. Ja, ja, Peabody, ich weiß, der Vorschlag ist indiskutabel. Sie haben Skizzen von dem Mauerwerk angefertigt, das Sie westlich von der Kapelle entdeckt haben, Vandergelt? Die Männer decken es besser ab, sonst klettern diese verrückten Touristen noch darauf herum und zerstören das Wenige, das noch erhalten ist.«
»Was ist mit der Restaurierung des Bodens?«, wandte Cyrus ein. Er war nicht sonderlich versessen auf diese Arbeit, aber er war ein gewissenhafter Mensch.
»Lassen Sie ihn, wie er ist«, riet Emerson. »Sollen sich diese dämlichen Touristen doch ruhig den Hals brechen.«
Wir traten den Rückweg zur Pferdekoppel an, wo wir unsere Reittiere zurückgelassen hatten. Nach wie vor schmunzelnd über Emersons scherzhafte Bemerkung – ich denke, sie sollte scherzhaft sein –, bemerkte Cyrus: »Bertie war heute Morgen ganz schön sauer. Er hasst es, zurückgelassen zu werden. Gibt es irgendeinen Grund, warum er morgen nicht mitkommen kann?«
»Gott bewahre«, erwiderte Emerson. »Wir können jede helfende Hand gebrauchen, und wenn er nur Feldbeobachtungen macht.«
»Sicher, wir könnten für einen Stuhl und einen Schemel sorgen«, sinnierte ich. »Aber nach meinem Dafürhalten sollte Bertie noch ein paar Tage das Haus hüten.«
»Das hält er nicht durch«, sagte Ramses. »Ich kenne Katherine; sie wird ihm keine Ruhe lassen, und dann dreht er durch und tut irgendwas Unüberlegtes.«
»Du sprichst aus persönlicher Erfahrung, nicht?«, erkundigte ich mich und lächelte zum Beweis, dass dies einer meiner kleinen Scherze war.
Er erwiderte mein Lächeln und küsste mich rasch auf die Wange. »Nicht wirklich, Mutter. Du hast doch nichts dagegen, wenn Nefret und ich vorausreiten?«
Risha war kaum zu bändigen, genau wie Moonlight; der gemächliche Gang von Cyrus’ braver Stute war ermüdend für solche Rassepferde. Ich nickte, und die beiden jungen Leute galoppierten davon.
»Sie sind wirklich ein schönes junges Paar«, sagte Cyrus bewundernd. Nefret hatte die noch verbliebenen Haarnadeln aus ihrem Haar gezogen; es wehte wie ein schimmerndes Banner, als Risha lospreschte und Moonlight seinem Beispiel folgte. »Früher war ich fast neidisch auf euch, aber jetzt nicht mehr«, fuhr er fort. »Bertie ist wie ein Sohn für mich. Ich werde ihn zu meinem Erben machen, Amelia.«
»Hervorragend, Cyrus«, stimmte ich ihm zu. »Er hat Ihre Anerkennung verdient. Allerdings würde ich das nicht publik machen, sonst umgarnen den Jungen noch sämtliche Mitgiftjägerinnen in ganz Ägypten. Und wenn er davon erfährt, wird er die Motive jeder jungen Dame beargwöhnen, die Interesse an ihm zeigt.«
»Ein guter Rat, den ich befolgen werde«, bekräftigte Cyrus.
Emersons entrückter Blick bewies mir, dass er nicht mehr zuhörte. Er hält mich für viel zu direkt, als dass ich sensible Ratschläge geben könnte, und Gespräche über die junge Liebe widerstreben ihm. »Ein Stock«, sagte er unvermittelt. »Geben
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