Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
untersagt. Zum zweiten die Tatsache, dass Bertie zwar ein kompetenter Aufseher ist, er aber keine Ahnung von hieratischen Texten hat und die von uns entdeckten Inschriften nicht kopieren kann. Drittens Ramses’
Wunsch, weiterhin hier zu arbeiten. Stehst du den Empfindungen deines Sohnes so gleichgültig gegenüber, Emerson, dass du ihn schnöde überfährst? Für so unsensibel hatte ich dich eigentlich nicht gehalten.«
Ich schaffte es, meinen Vortrag ohne jede Unterbrechung zu halten, da ich mir einen Trick angeeignet hatte, um Atem zu schöpfen – nicht am Ende des Satzes, sondern in willkürlichen Intervallen, mit denen die Zuhörer nicht rechneten. Emerson hätte dies nicht zurückgehalten, aber wie er mir später darlegte, war er durch meinen Tonfall gewarnt gewesen. Und als ich endete, dokumentierte mir sein veränderter Gesichtsausdruck, dass ebendieser letzte Punkt die gewünschte Wirkung gezeigt hatte.
Er wandte sich mit großer Ernsthaftigkeit an seinen Sohn. »Hast du wirklich den Wunsch, Ramses? Du weißt, ich würde nie … Warum hast du mir nichts gesagt?«
»Das hat er doch«, empörte ich mich. »Du hast ihm nicht zugehört.«
»Ist schon in Ordnung, Vater«, sagte Ramses rasch. »Vielleicht habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt.«
»Immerhin deutlich genug, dass ich es begriffen habe«, zischte ich. »Einerlei. Meine Lösung ist ausgesprochen simpel. Cyrus leidet genauso unter Personalmangel wie wir. Ich schlage vor, wir tun uns zusammen, konzentrieren uns auf ein Gebiet – dieses hier – und teilen die Verantwortung. Cyrus kann die Gräber haben; wir nehmen das Dorf. Monsieur Daressy hat sicherlich keine Einwände dagegen, dass wir unsere Effizienz auf diese Weise erhöhen.«
Cyrus, der in brütendes Schweigen verfallen war, weil er schon sämtliche Hoffnungen schwinden sah, strahlte mich an. »Ist das Ihr Ernst?«
»Selbstverständlich.« Ich erwiderte sein Lächeln. »Natürlich werden wir einander zur Hand gehen, sollte etwas besonders Interessantes entdeckt werden, das zusätzliche Helfer erfordert.«
Emerson war am Boden zerstört. Er liebte seinen Sohn über alles – auch wenn ich mich nicht erinnern kann, dass er das jemals gesagt hätte – und war bereit, jede von mir ersonnene Strafe zu akzeptieren, bis ich jenen letzten Satz äußerte. Er lebte förmlich auf und brüllte mich an.
»Verflucht, Amelia! Ich durchschaue dich. Du hast es satt, Geröll zu sieben. Du bist selber hinter diesen Gräbern her.«
»Ich habe soeben vorgeschlagen, Cyrus diesen Teil der Konzession zu übertragen, Emerson«, betonte ich. »Bist du damit einverstanden?«
»Oh.« Emerson rieb sich sein Kinn. »Nun …«
»Eine teuflisch gute Idee«, erklärte Cyrus. »Genau das, womit ich aus Ihrem Mund gerechnet hätte, Amelia. Was meinen Sie, altes Haus? Schlagen Sie ein?«
Statt Cyrus’ ausgestreckte Hand zu nehmen, wandte Emerson sich an seinen Sohn. »Ist das annehmbar für dich, Ramses? Sei ehrlich.«
»Ich halte das für einen hervorragenden Plan, Vater. Ganz ehrlich«, setzte er hinzu.
»In diesem Fall …« Emerson schüttelte Cyrus energisch die Hand. »Also abgemacht.«
»Vielleicht sollten wir das schriftlich fixieren«, schlug ich vor. »Für den Fall, dass Monsieur Daressy sich danach erkundigt.«
»Nein, Madam, das wird nicht nötig sein«, befand Cyrus. »Emersons mündliche Zusage reicht mir voll und ganz.«
»Das Wort des Vaters der Flüche«, meinte Daoud, »ist bindender als jeder Schwur.«
Ich glaube, man wird mir vergeben, dass ich recht euphorisch war. Ramses war zufrieden und Cyrus auch; Nefret war glücklich, weil Ramses glücklich war; sogar Selim beeilte sich, mir beizupflichten. Emerson schien als Einziger nicht übermäßig erfreut über das weitere Vorgehen, aber das bestimmt nur deshalb, weil er nicht als Erster daran gedacht hatte.
Ich will Emerson zugute halten, dass er nicht nachtragend ist. Nachdem er sich einverstanden erklärt hatte, fing er sofort an, Anweisungen zu geben.
»Vandergelt, Ihre erste Aufgabe besteht darin«, erklärte er, »eine exakte Vermessung des Geländes und der Grabstätten vorzunehmen und eine schriftliche Dokumentation anzulegen. Guter Gott, allein damit leisten Sie schon einen wesentlichen Beitrag. Alle – von Wilkinson bis Schiaparelli – haben Gräber entdeckt –«
»Der königliche Architekt Kha«, murmelte Cyrus sehnsüchtig. »So sehr ich mir wünsche, ein Königsgrab zu finden, ich würde mich auch mit einem
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