Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
ich ihm. Ich wollte mich auf den Wannenrand setzen, aber er spritzte dermaßen mit Wasser, dass ich mich stattdessen an die Wand lehnte. Emerson grinste mich freundlich an.
»Hattest du einen angenehmen Tag, mein Schatz?«, erkundigte er sich.
»Recht angenehm. Emerson, warum tust du so etwas? Du weißt, dass ich letztlich alles herausfinde.«
»Sicher, aber es macht mir Spaß, dich zu provozieren, Peabody. Und dir gefällt es, meine heimtückischen Pläne auszubaldowern und mich zu maßregeln.« Er erhob sich.
Ich behaupte immer, es gibt nichts Besseres für einen gestählten Körper als ein Leben in der freien Natur. Emerson hatte sich seit unserer ersten Begegnung kaum verändert – mit Ausnahme des fehlenden Bartes natürlich, der seine markante Kinnpartie bedeckt hatte. Seine stattliche Statur war durchtrainiert, seine breiten, muskulösen Schultern immer wieder ein Blickfang.
»Ich lasse mich nicht ablenken«, informierte ich ihn.
»Nein?« Er trat aus der Wanne und griff nach mir. Er hat ausgesprochen lange Arme.
Nach einer Weile sagte ich: »Dreh dich um, dann trockne ich dir den Rücken ab.«
»Ich kann mir noch etwas anderes vorstellen –«
»Nein, Emerson! Ich bin ohnehin schon klatschnass, und wir haben für den morgigen Tag noch einige Vorbereitungen zu treffen. Ich habe Selim eine Notiz geschickt und ihn zum Abendessen eingeladen.«
»Gute Idee«, sagte Emerson zerstreut und ließ mich los. »Ich frage mich, was er zu dieser neuerlichen Entwicklung sagen wird.«
Neben mir sitzend – ein Gunstbeweis, den ich ihm gewährte, wann immer er uns mit seiner Gesellschaft beehrte –, lauschte Selim andächtig schweigend Emersons Schilderung von den aktuellen Ereignissen. Schließlich schüttelte er den Kopf.
»Es erstaunt mich, Emerson, dass du so unüberlegt gehandelt hast«, kritisierte er. »Die Tempel und das Arbeiterdorf sind wichtiger als die Suche nach Gräbern in diesem problematischen Terrain. Und du, Ramses, hättest das nicht billigen dürfen.«
Emerson hatte sich an Selims gelegentliche Kritik gewöhnt, dennoch schien er vorübergehend sprachlos. Ramses räumte kleinlaut ein: »Du hast absolut Recht, Selim, aber wenn der Vater der Flüche befiehlt, gehorcht der gesamte Globus.«
»Puh«, sagte Selim, genau wie Abdullah es getan hätte. Er überlegte und lenkte dann ein: »Nun ja, vielleicht hat es so sein sollen. Wärt ihr nicht dort gewesen, hätten Mr Bertie und dieses törichte Mädchen vielleicht ernsthaft Schaden genommen.«
»Exakt so muss man es sehen«, bekräftigte Emerson, unterdes funkelte Jumana ihren Cousin an.
»Was Jamil angeht«, fuhr Selim fort, Jumanas Blick ungerührt erwidernd, »so hat er genug Schaden angerichtet. Überlasst ihn mir.«
Selbst Emerson schwieg nach dieser entschiedenen Forderung, die mit der gleichen Würde und Autorität vorgetragen wurde, wie Abdullah sie verströmt hatte. Selim wurde seinem Vater zunehmend ähnlicher, seine anziehenden, markanten Züge umrahmt von einem gepflegten Vollbart. Von daher mag es wenig überraschen, dass ich in jener Nacht von Abdullah träumte.
Er erwartete mich an der Stelle, die wir beide so gern mochten, auf dem Felsplateau über Deir el-Bahari, dort, wo der Pfad ins Tal der Könige weiterführt, und die Sonne erstrahlte über den östlichen Gebirgsrücken. Während ich das letzte, steile Stück bezwang, überlegte ich in meinem Traum, warum ich den Aufstieg allmählich genauso anstrengend fand wie im wachen Zustand. Sollte dies ein Ausblick auf die Realität sein, so konnte ich darauf gut verzichten. Ich war extrem kurzatmig, als Abdullah mir seine Hand reichte und mich das letzte Stück hochzog.
»In England geht es allen gut«, sagte er. »Mein nächstes Enkelkind wächst und gedeiht im Schoß seiner Mutter.«
»Wird es diesmal ein Mädchen?«, forschte ich.
Abdullah nickte. »Setz dich, Sitt, und ruh dich aus. Ja, es ist ein Mädchen; so viel steht fest.«
»ähm – da wir gerade von Enkeln sprechen, Abdullah …«
Er warf den Kopf zurück und lachte herzerfrischend. In meinen Träumen war er stets jugendlich agil, sein Bart ohne einen silbergrauen Faden, sein Lachen so ausgelassen wie Selims.
»Was ist damit, Sitt?«
»Du willst es mir nicht sagen, nicht wahr?«
»Alles hat seine Zeit, Sitt Hakim. Wenn die Zeit reif ist, wirst du zu den Ersten gehören, die es erfahren. Wie könnte es anders sein?«
Obschon ärgerlich über seine Unkerei, konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Er hatte
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