Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
zu halten. Es verlief eher schleppend.
»Ich darf wiederholen, dass es hier nichts zu sehen gibt«, erklärte Emerson, die Hände an den Hüften, breitbeinig, seine Miene düster. »Dies ist eine archäologische Ausgrabung, und Sie stören mich bei meiner Arbeit.«
»Aber, Sir …« Einer der Offiziere – denn als das wiesen ihre Abzeichen sie aus – wandte sich sichtlich erleichtert an mich. Er war etwa mittlerer Größe, stämmig, breites Gesicht, besonders die Kinnpartie. Seine Haare, die zum Vorschein kamen, als er seinen Tropenhelm herunterriss, waren von einem undefinierbaren Braunton, etwas dunkler als sein sorgfältig gestutzter Schnauzbart.
»Mrs Emerson!«, entfuhr es ihm. »Ich wage nicht zu hoffen, dass Sie sich an mich erinnern – ich hatte das Vergnügen, Ihnen letztes Jahr in Kairo vorgestellt zu werden, von meinem Kollegen Woolley vom Arabischen Büro.«
»Aber gewiss doch, Major Cartright«, erwiderte ich, bevor Emerson sich ungebührlich über das Arabische Büro äußern konnte. »Mr Woolley ist ein alter Freund. Ich habe mit Betroffenheit erfahren, dass die Osmanen ihn gefangen genommen haben.«
»Die Unwägbarkeiten des Krieges, Madam, ein Kriegsschicksal.«
»Ignoranz und Inkompetenz«, wetterte Emerson. »In dieser protzigen Jacht entlang der Küste zu segeln, in dem Bestreben, vor den Augen der Türken Agenten an Land zu schleusen. Früher oder später wäre der doch fällig gewesen.«
Cartright wurde rot vor Zorn, hielt sich jedoch zurück. »Ja, Sir. Gestatten Sie, dass ich Ihnen einen weiteren Bewunderer von Ihnen vorstelle – Leutnant Algernon Chetwode.«
Ich habe noch nie einen so prototypischen Engländer gesehen. Haare und Bart waren flachsblond; die Wimpern um seine blauen Augen waren so blass, dass sie kaum auffielen, und seine Wangenhaut so zart wie bei einem Mädchen. Errötend stammelte er eine Reihe von unzusammenhängenden Höflichkeitsfloskeln.
»Es ist mir ein Vergnügen … eine solche Ehre …«
»Ja, angenehm«, erwiderte ich, und da sie keinerlei Anstalten machten zu gehen, fuhr ich fort: »Ich würde Sie ja gern herumführen, meine Herren, aber wie von meinem Gatten bereits erwähnt, gibt es hier nichts Interessantes zu sehen. Schätze, Sie haben dienstfrei in Kairo? Darf ich Ihnen das Tal der Könige oder den Tempel in Medinet Habu empfehlen, beides ist nicht weit von hier.«
»Sehr liebenswürdig von Ihnen, Mrs Emerson«, sagte Cartright, und sein Lächeln bewies mir, dass er meine wahren Motive durchschaut hatte. »Wir wollten lediglich unsere Aufwartung machen. Wir hatten gehofft – das heißt – ist Ihr Sohn bei Ihnen?«
Emersons Augen wurden schmal, und mir krampfte sich schmerzhaft der Magen zusammen. Natürlich und notwendigerweise waren Ramses’ Aktivitäten für das Kriegsministerium ein wohl gehütetes Geheimnis geblieben. Wäre sein aufopfernder Einsatz bekannt geworden, hätte man einen Helden aus ihm gemacht; da das nicht der Fall war, hielten ihn viele von unseren Bekannten in Kairo für einen Feigling und Pazifisten. Kaum ein Offizier in Kairo hatte im letzten Jahr mit ihm geredet – und hier standen plötzlich zwei, die sich nach ihm erkundigten.
Ich war versucht zu lügen, aber vergebens; Ramses hatte uns gesehen und strebte zu uns. Es hätte auch nicht zu ihm gepasst, einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Nefret hielt seinen Arm umklammert. Sie nagte an ihrer Unterlippe, ein sicheres Anzeichen von Besorgnis oder Unmut.
Hatte der junge Leutnant Chetwode sich vor uns fast verborgen, so tat er dies jedenfalls nicht vor Ramses. Nefret schenkte er nicht mehr Aufmerksamkeit als unbedingt nötig, was höchst merkwürdig war; die meisten Männer überschütteten Nefret mit Aufmerksamkeiten.
Ernst und gefasst schüttelte Ramses den beiden Männern die Hand. »Auf Urlaub, was?«, erkundigte er sich.
»Kurzurlaub«, erwiderte Cartright. »Ich bin vor kurzem von der Front in Gaza zurückgekehrt, und nachdem ich dem General Bericht erstattet hatte, war er so freundlich, mir ein paar Tage dienstfrei zu geben.«
»Sie haben es sicher verdient«, sagte ich höflich.
»Ha!«, schnaubte Emerson. »Was zum Teufel macht Ihr Leute da eigentlich? Anfang Januar haben Sie die Türken von der ägyptischen Grenze verdrängt, und seitdem hocken Sie vor Gaza. Was wir brauchen, ist ein Sieg, Gentlemen; die Nachrichten von den anderen Fronten sind schlimm genug. Warum dringt General Murray nicht nach Jerusalem vor?«
»Wie ich sehe, kennen Sie das
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