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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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später übersetzen, ja?«
    »Danke.« Ein scheues, anziehendes Lächeln. Unvermittelt presste sie eine Hand vor den Mund. »Oh … was ist das?«
    Der Geschichtenerzähler musste seinen Zeitrahmen überschritten haben. Daoud spurtete mitten auf den Platz und erteilte gestikulierend Anweisungen. Das Publikum wich zurück. Einige waren in das Geheimnis eingeweiht; aufgeräumt halfen sie Daoud, den Platz zu leeren, drückten Müttern ihre Kinder in die Arme und zerrten Esel und Ziegen beiseite. Einer der Musiker trommelte einen wilden Rhythmus und die Zuschauer klatschten mit, untermalten das zunehmende Dröhnen des Motors, als Selim den Weg hinaufraste.
    Ramses dachte: »Er fährt zu schnell«, jedoch hätte er nicht zu sagen gewusst, ob ihn dieser Geistesblitz vor oder nach dem grässlichen Knirschen von Metall ereilte. Ob Vorahnung oder Erkenntnis, er raste los, als es krachte.
    Das Automobil hatte sich am Abhang überschlagen und lag, vor einen Felsen geschleudert, auf dem Dach. Eine der Lampen war zersplittert, die andere warf ihren gespenstischen Schein auf die Szenerie. Selim lag flach auf dem Rücken und regte sich nicht. Seine Robe war zerrissen und fleckig.
    Ramses erreichte ihn als Erster. Er suchte den Puls an dem erschlafften Handgelenk. Es war glitschig vor lauter Blut, und ihm zitterten die Hände. Er konnte ihn nicht ertasten.
    Nefret schob ihn beiseite. »Niemand rührt ihn an. Geht zurück. Aus dem Licht, verdammt! Ramses, scheuch sie weg. Halt Rabia und Taghrid zurück, sie dürfen ihn nicht so sehen.«
    Er vernahm das aufgelöste Flehen von Selims Frauen, sie doch zu ihm zu lassen; seine Tante Evelyn beschwichtigte sie, ihre Stimme war ruhig und unerbittlich. Seine Mutter hatte freilich schon den Unglücksschauplatz betreten und hielt eine Taschenlampe auf den reglosen Körper. Sie war die Einzige, die daran gedacht hatte. Ramses wünschte sich fast, sie hätte es nicht getan. Im Lichtkegel sprangen einem die Blutflecken direkt ins Auge, feucht und rot schimmernd.
    »Was brauchst du?«, fragte Ramses.
    Nefret sah nicht auf. »Deine Jacke. Deine auch, David. Schienen, Verbandsmaterial. Für den Anfang.«
    »Gott sei Dank«, hauchte Ramses. Er hatte nicht gewagt zu fragen. »Er lebt?«
    »Bis jetzt noch.«
    Natürlich wollten Selims junge Ehefrauen, dass er in ihr Haus gebracht würde. Nefret ignorierte dies kurzerhand. Sie trug jetzt die Verantwortung, und Ramses fühlte mit ihr. Sie hatte eine Heidenangst davor, einen Patienten zu verlieren. Und Selims Tod wäre das Allerschlimmste für sie.
    Emerson und Daoud schulterten die Trage, auf der Selim fest bandagiert wie eine Mumie ruhte, und traten den Heimweg an. Cyrus hatte ihnen die Kutsche angeboten, doch Nefret lehnte auch dies rundweg ab. Jede Erschütterung wäre dramatisch für den Patienten, und die zwei stärksten Männer vermochten ihn sanfter zu transportieren als jedes andere Fortbewegungsmittel. Bedrückt brachen die Vandergelts auf, gemeinsam mit ihren Gästen sowie Sennia und Dolly. Nefret wartete nicht auf sie. Sie sprang auf Moonlight und preschte den Hügel hinunter.

    »Soll ich bleiben?«, erkundigte sich Ramses. Selim lag bäuchlings auf dem Untersuchungstisch in ihrer Praxis. Die Lampen brannten auf seinen nackten Körper herab, voller Blut und mit Prellungen übersät.
    »Ja«, erwiderte Nefret. »Wasch dich und zieh einen Kittel über. Du auch, Mutter. Alle anderen verschwinden.«
    Seine Mutter nickte und rollte die Ärmel hoch. »Selim fällt in Ohnmacht, wenn er erfährt, dass wir ihn ausgezogen haben«, sagte sie seelenruhig.
    Ihr unerschütterlicher Optimismus und ihre »kleinen Scherze« waren das einzig Richtige. Nefrets zusammengekniffene Lippen entspannten sich unmerklich.
    »Er hat mehrere Rippenbrüche, Schnittwunden und Prellungen. Das ist nicht weiter tragisch. Aber …« Behutsam tastete sie Selims dunklen Schopf ab. »Mutter, fühl mal hier.«
    Seine Mutter folgte ihrem Beispiel. »Schädelbruch«, sagte sie sachlich.
    »Womöglich Gehirnblutungen.«
    »Dann wirst du operieren müssen.«
    »Mutter, das kann ich nicht! Ich habe dergleichen erst ein Mal gemacht, und das ist Jahre her!«
    »Der nächste Chirurg mit deiner Kompetenz sitzt in Kairo«, erwiderte seine Mutter schonungslos. »Würde er die Reise überleben? Würde sich sein Zustand nicht mit jeder Verzögerung verschlimmern?«
    Die Antwort stand auf Nefrets kreideweißem Gesicht geschrieben.
10. Kapitel
    Die Sonne ging hinter mir auf, als ich den Hügel

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