Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms
Bett stand darunter, aber bestimmt hatte sie geträumt; es war verriegelt, die Vorhänge geschlossen.
Ramses zog den Vorhang beiseite und schaute hinaus.
Das Fenster war unverglast und nur mit einem Insektennetz bedeckt. Das Mondlicht erhellte die entfernten Hügel und die Sandverwehungen auf dieser Seite des Hauses.
Nichts bewegte sich.
»Alles fort.« Er beugte sich über seine Tochter. »Ich habe es verscheucht, und es kommt nie wieder her. Niemand kann dir etwas tun. Schlaf jetzt.«
Er bekam einen feuchten Kuss und wurde von Davy geherzt, der mittlerweile hellwach und munter war. Er umarmte seine Mutter und streckte die Händchen nach Maryam aus.
»Darf ich?«, fragte sie verlegen.
»Ja, sicher«, erwiderte Ramses. »Tut mir Leid, dass sie dich gestört hat.«
»Ich hätte nicht hier hereinplatzen dürfen«, murmelte sie.
»Aber sie hat so jämmerlich geweint. Ich habe gar nicht nachgedacht. Gute Nacht, ihr beiden Schätzchen.« Charla reagierte mit einem schläfrigen Seufzer. Davy hätte zwar gern noch geplaudert, kniff Mund und Augen aber fest zu und giggelte, weil das zu diesem Spiel gehörte.
Die Albträume hatten sich erst vor kurzem eingestellt.
Nach Aussage von Ramses’ Mutter – der ultimativen Autorität – litten viele kleine Kinder darunter und kamen später darüber hinweg.
Das war ja alles schön und gut, gleichwohl schwante Ramses, dass die Chancen für einen romantischen Urlaub derzeit schlecht standen. Er bildete sich beileibe nicht ein, dass er Charla als Einziger zu trösten vermochte; er war nur zufällig jedes Mal der Erste an ihrem Bett, und die gutherzige Elia verstand einfach nicht, dass das kleine Mädchen eine feste Umarmung und beruhigende Worte brauchte. Sein Vater oder David – oder auch seine Mutter – hätten vermutlich ebenso effektiv gehandelt. Trotzdem wäre es unvertretbar, einen von ihnen zu bitten, im Nebenraum zu schlafen, während er und Nefret verreisten.
Es dauerte eine Weile, bis Nefret wieder in der Stimmung von vor der Störung war. Sie war über irgendetwas wütend – er kannte die Anzeichen, verstand sie aber nicht.
Die Fantasia sollte erst am Abend beginnen, trotzdem hatte Emerson seinen Männern zähneknirschend den ganzen Tag frei gegeben. Selim und Daoud und die anderen wollten in Kurna ein Fest geben, von dem man noch lange reden würde. Das ganze Dorf war fieberhaft beschäftigt, und keiner hegte auch nur die leiseste Absicht, an diesem Tag im Grabungsgelände zu arbeiten. Das Automobil stand blitzblank poliert vor dem Haus. Selim hatte es stundenlang geputzt und gewienert.
Nach dem Frühstück sammelte Ramses’ Mutter ihre Truppen und nahm sie mit ins Schloss, um die Artefakte einzupacken. Sie wies Emersons halbherziges Angebot mitzukommen zurück – »Du stehst ohnehin bloß murrend rum und dozierst« –, und Sethos gab dringende Geschäfte in Luxor vor. Cyrus erwartete sie bereits; die Verpackungsmaterialien standen schon in den Ausstellungsräumen, ein ortsansässiger Zimmermann nagelte Kisten zusammen. Ramses war klar, warum Cyrus die Sache hinter sich bringen wollte. Es war der reinste Psychoterror für ihn, die erlesenen Stücke zu sehen und dabei zu wissen, dass er sie nicht behalten durfte. Theoretisch war Ramses mit seinem Vater einer Meinung, dass die ägyptischen Kunstschätze nach Ägypten gehörten, doch Cyrus’ Armesündermiene ließ in ihm den Wunsch aufkeimen, dass Lacau ruhig ein bisschen großzügiger hätte sein können.
Sie begannen mit den kleineren und unempfindlicheren Objekten – den Marmor- und Metallgefäßen. Selbst diese wurden in Watte oder Seidenpapier gewickelt, mit Stroh zwischen den einzelnen Schichten. War eine Kiste gefüllt, nagelten Bertie und David sie zu. Cyrus traute einzig den Anwesenden im Raum. Ramses übernahm gemeinsam mit Lia die Aufgabe, den Inhalt der Kisten aufzulisten.
Einerseits war die Arbeit diesmal einfacher, da sie bereits Übung hatten, andererseits mussten zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen für die längere Reise getroffen werden – und, wie Ramses fürchtete, wegen der gewiss unbesonnenen Handhabung. Die Kisten mit den fragileren Objekten, Fayencen und Töpferwaren, wurden mit Schrauben versehen.
Maryam hatte die Exponate noch nicht gesehen. Tief beeindruckt schritt sie von einer Vitrine zur anderen, die Hände hinter dem Rücken, wie ein ängstliches Kind, das nur ja nichts anfassen will. Wie jede andere Frau blieb auch sie lange vor den Juwelen stehen.
»Wie können
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