Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms
Sie diese nur abgeben?«, fragte sie Cyrus naiv.
»Mir bleibt keine Wahl, mein Fräulein. Lassen Sie sich ruhig Zeit, so etwas Schönes sehen Sie vielleicht nie wieder.«
»Ich finde es nicht nett von ihm, dass Sie nicht mehr behalten dürfen.«
»Find ich auch«, erwiderte Bertie mit einem bedauernden Grinsen. Er richtete sich auf. »Welches Schmuckstück gefällt dir denn am besten?«
»Ach du meine Güte!« Unbewusst befeuchtete sie die Lippen mit ihrer rosigen Zunge. Sie streckte ihre Hand aus, schaute schuldbewusst zu Bertie und zog sie zurück. Er lachte nachsichtig. »Du kannst sie ruhig anfassen. Sie gehen nicht kaputt. Was ist mit diesen Ohrringen?«
»Sie sind wunderschön, aber so groß.« Zaghaft deutete ein Finger auf einen Ring. »Der ist hübsch.«
Es handelte sich um ein weniger auffälliges Stück, einen Goldreif mit einer Platte, in die eine sitzende, gekrönte Frau eingraviert war.
»Streif ihn mal über«, meinte Bertie. Er nahm ihre Hand.
»Oh nein, das kann ich nicht!«
»Du hast schlanke Finger. Da passiert schon nichts.«
Ramses bemerkte, dass seine Mutter die beiden nachdenklich lächelnd beobachtete. Sie hatte sich kritisch über Berties »Trübsalblasen« wegen Jumana geäußert – nicht weil sie die Beziehung missbilligte, die ohnedies nur einseitig war, sondern weil sie Trübsinn verabscheute. Und Katherine hatte immer gehofft, dass Berties Interesse an dem ägyptischen Mädchen nur vorübergehend wäre. Ramses fragte sich, ob sie das uneheliche Kind eines Meisterverbrechers und einer Mörderin vorziehen würde. Nicht dass er Bertie einen harmlosen Flirt verübeln könnte. Maryam war ein hübsches kleines Ding, und offensichtlich genoss sie die Aufmerksamkeiten des jungen Mannes. Sie hielt ihre Hand hoch, bewunderte den Ring.
»Er ist nicht so schön wie die anderen«, bemerkte Sennia, die die beiden ebenfalls beobachtete. »Ich mag diesen, mit der Katze aus Karneol. Aber ich würde ihn niemals anprobieren.«
»Warum denn nicht?«, entfuhr es Cyrus unvermittelt. »Donnerwetter, warum eigentlich nicht? Probiert sie alle an! Amelia – Lia – alle anwesenden Damen. Von jetzt an werden sie im Museum verstauben und nie wieder eine hübsche Hand oder einen Hals schmücken. Gebt ihnen eine letzte Chance.«
»Cyrus, Sie sind ein Teufelskerl«, schmunzelte Ramses.
»Und ein unverbesserlicher Ästhet«, erklärte Bertie. »Sennia, hier ist deine Katze. Mutter, wofür entscheidest du dich?«
Ramses mutmaßte eine Trotzreaktion hinter Cyrus’ Verhalten, eine letzte Besitzgeste. Die Frauen versammelten sich um die Vitrine, ihre Wangen gerötet, ein Glitzern in den Augen. Selbst seine Mutter, die stets vorgab, sich für Klunker nicht zu interessieren, beugte den Kopf vor und ließ sich von Cyrus ein prachtvolles Collier umlegen – eine dreireihige Kette aus Lapisperlen mit einer goldenen Verschlussplatte. Er hatte schon registriert, dass Schmuck eine seltsame Faszination auf Frauen ausübte …
… registriert und verdrängt. Wie lange war es her, dass er Nefret ein Schmuckstück geschenkt hatte? Sie hatte selber Geld und vermochte sich alles zu kaufen, kostspieligere Juwelen, als er sich jemals hätte leisten können. Gleichwohl trug sie gelegentlich das schlichte Goldkettchen, das er ihr als Heranwachsender geschenkt hatte, aber neulich nachts hatte sie über die Armbänder gescherzt … Wenn es denn ein Scherz war. In Vino Veritas? Sie schien mächtig interessiert an einigen Armbändern, und er half ihr, einen massiven Goldreif am Arm zu befestigen. David behängte seine Frau ausgelassen mit Armbändern und Halsketten. Dann beharrte er darauf, dass sie sich mit den anderen fotografieren ließe.
»Allerdings werden wir die Fotos nie außerhalb der Familie zeigen dürfen.«
»Keine Sorge«, versetzte Lia. »Wir werden sie ab und zu betrachten und uns an eine herrliche Zeit erinnern. Danke, Cyrus.«
Der Goldrausch ebbte ab. Widerstrebend langsam trennten die Frauen sich von den Preziosen. Obschon die Stücke fachmännisch restauriert waren, musste man behutsam mit ihnen umgehen. Ramses half seiner Mutter, den schweren Anhänger abzunehmen, der an einer Kette aus massiven Goldperlen hing.
»Geeignet für eine Gottesgemahlin – die Gravur stellt Amun-Re dar – allerdings bezweifle ich, ob sie dies zu Lebzeiten getragen hat«, räumte sie ein und rieb sich den Nacken. »Ich würde es jedenfalls nicht riskieren. Nachdem wir alle unseren Spaß hatten, sollten wir jetzt
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