Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms
haben«, knurrte Sethos. »Aber wie gelangen wir unerkannt zu Emerson? Die Amelia ist nicht eben unverdächtig.«
Mein mahnendes Kopfschütteln hielt Ramses von einer hitzigen Reaktion ab. Er schluckte und schaute zu Nefret. Sie war bei seiner Rückkehr aufgewacht und verfolgte vom Diwan aus, wie er nervös auf und ab schlenderte. »Auch daran habe ich gedacht, Sir. Wir nehmen ein kleines Boot. Es wird so mickrig aussehen, dass sich die Besatzung der Isis nicht wundern wird, wenn wir mit schleppendem Segel auftauchen. Derweil ihr die Crew mit eindringlichem Rufen um Hilfe – die ihr wahrscheinlich nicht bekommen werdet – ablenkt, schwimme ich zur Isis. «
»Ich komme mit«, sagte Sethos.
»Wie weit kannst du tauchen?«, fragte Ramses betont ruhig.
»Weit genug.«
»Nein«, fuhr Ramses genauso ruhig fort, »ich übernehme das. Wer das nicht akzeptieren will, kann hier bleiben. Das Boot ist für vier Leute. Die anderen müssen die Crew ablenken, unterdessen schwimmen David und ich zu der Dahabije. Danach … nun, das hängt vom Ablauf der Dinge ab, aber es wird eher unangenehm werden.«
Natürlich wollten alle mitkommen. Daoud räusperte sich erwartungsvoll. Ramses grinste kopfschüttelnd.
»Unmöglich, dich zu tarnen, Daoud – oder Sie, Cyrus. Selim ist noch nicht ganz genesen. Wir anderen werden die üblichen Lumpen tragen. Ich, David, Bertie – und du, Sethos, sofern du meine Anweisungen befolgst.«
Ich saß ganz still in einer Ecke, meine Hände im Schoß gefaltet. Ohne in meine Richtung zu blicken, sagte Ramses: »Nein, Mutter. Keine Chance. Hast du mich verstanden?«
»Aber gewiss doch, mein Schatz. Jedes Wort.«
»Da ist sie, sie liegt nahe dem Westufer vor Anker.« Ramses hob einen Arm und gab Rais Hassan das Signal. Die Sonne stand noch hinter den östlichen Klippen, und über uns wölbte sich ein rosig überhauchter Morgenhimmel. Wir waren südlich von Kena und näherten uns dem Uferstreifen, wo sich die Isis nach Rais Hassans Einschätzung höchstwahrscheinlich verbarg. In diesem Gebiet waren nur wenige Dörfer, und der Schiffsverkehr war eher mäßig.
»Hat man uns gesehen?«, fragte ich.
»Ich glaube nicht. Zum Glück für Rais Hassan«, setzte er hinzu, als die Amelia knirschend zum Halten kam und wendete. »Wird auch Zeit für uns.«
Unser Anker ging über Bord, und das kleine Boot wurde herangezogen. Es war ein jämmerliches Ding mit geflickten Segeln – und wir eine nicht minder abgerissene Crew. Ramses und David trugen nur das Nötigste, da sie ja schwimmen mussten. Wir anderen waren in zerlumpte Galabijas gehüllt.
Als ich in meiner hastig übergestreiften Tarnung an Deck erschien, fuhr Ramses mich wütend an. Ich verzieh ihm natürlich, da er unter einer gewissen Anspannung stand.
»Red nicht mit ihr, als wäre sie eine Frau, Ramses«, zischelte Nefret.
»Sie ist eine Frau! Sie ist meine Mutter! Ich werde nicht billigen, dass sie …«
Ich hob ein ganz klein wenig die Stimme. »In Luxor hast du gesagt, dass du nicht ohne Nefret zurückkehren würdest. Ich werde nicht ohne deinen Vater zurückkehren.«
»Du kannst sie nicht aufhalten«, sagte Nefret. Sie streichelte seinen entblößten Arm, wie man einen nervösen Hengst besänftigt. »Dazu hast du kein Recht.«
»Du bist auf ihrer Seite«, stöhnte Ramses.
»Natürlich. Wenn es um dich ginge, wäre ich ebenfalls mit in diesem Boot.«
»Ein Kompromiss zur Güte«, schlug ich vor. »Ich werde keinen Schirm mitnehmen.«
Auf Ramses’ Gesicht kämpfte Belustigung mit Besorgnis und Erbitterung, und ich wusste, ich hatte gewonnen. »In Ordnung, Mutter. Aber bitte – nicht diese Augenklappe.«
»Sie kaschiert mein Gesicht«, erklärte ich. »Ich hab vergessen, einen Bart mitzubringen.«
Die anderen mischten sich wohlweislich nicht in unsere Diskussion ein. Cyrus umarmte mich freundschaftlich und half mir in das Boot. »Wir erwarten euer Signal«, sagte er. »Viel Glück.«
David hisste das Segel. Sethos packte mich und drückte mich auf den Sitz neben ihm.
»Du bist ein unsäglicher Plagegeist, Amelia, weißt du das?«
»Ich glaube doch, dass ich mich ein bisschen nützlich machen kann«, erwiderte ich bescheiden.
Dafür erntete ich einen vielmeinenden Blick von meinem Sohn, der an der Pinne stand. »Ruder raus«, brüllte er.
Der Wind blähte das Segel, indes war die Strömung stark. Mit Bertie und Sethos am Ruder kamen wir gut voran, und schließlich sagte Ramses: »Sie haben uns gesehen. So David, ab jetzt spielst du
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