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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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meinen, es handelt sich um irgendeine Privatbibliothek, in einem Loch verscharrt und unter einem Nachkommen verborgen, der gewiss kein Leser war. Es scheint sich unter anderem um Teile eines medizinischen Werks und um mehrere literarische Texte zu handeln. Ich wollte mir die Zeit nehmen, daran zu arbeiten, aber …«
    Das hagere Gesicht seines Onkels verzog sich zu einem Grinsen. »Verstehe. Nun, mein Junge, vielleicht kann ich dir helfen. Ein medizinischer Text, sagst du?«
    Emerson, der ein erstaunlich scharfes Gehör besaß, wenn man es am wenigsten brauchen konnte, trat zu ihnen. »Zum Teufel mit diesen Texten, die laufen euch nicht weg. Ich brauche euch beide bei den Grabungsarbeiten. Es sei denn, du hast alles vergessen, was ich dir über Exkavationstechniken vermittelt habe, Walter.«
    »Es ist lange her«, lautete die leise Antwort.
    »Das fällt dir schon wieder ein«, erklärte Emerson.
    Bevor sie aufbrachen, hatte Emerson alles zu seiner Zufriedenheit geregelt. »Also dann sehen wir uns alle morgen Früh in Deir el-Medina, was?« Er wartete gar nicht erst auf ihre Antwort.

    Vor Publikum vermeide ich, Emersons dogmatischen Anweisungen zu widersprechen. Es ist unhöflich, und obschon mir ein kurzer, hitziger Streit nichts ausmacht – Emerson offen gestanden auch nicht –, stört es einige Familienmitglieder. Allerdings sah ich nicht ein, warum er die Wünsche und Interessen seines Mitarbeiterstabes schnöde vom Tisch wischen sollte. Erst als ich das Gespräch zwischen Walter und Ramses mitangehört hatte, begriff ich, wie sehr mein Sohn darauf brannte, sich den entdeckten Papyri und Tonscherben zu widmen. Genau wie sein Onkel war er vornehmlich an der altägyptischen Sprache und Literatur interessiert. Sein übereifriger Ton, seine leuchtenden Augen waren die eines aufgeregten Jungen. Die Augen waren indes ein wenig eingesunken; er musste halbe Nächte über den Ostraka gesessen haben – und das nach den langen Exkavationstagen. Das konnte nicht gut sein für seine Gesundheit – oder für seine Ehe. Meine Mutterinstinkte sagten mir, dass ich mich falsch verhalten hatte. Ich hätte seinem Vater Paroli bieten müssen. Emerson kann eine Menge wegstecken.
    Ich würde auch für Walter eintreten müssen. Und für Cyrus. In wenigen Wochen wären die meisten Objekte aus dem Grab ins Museum überführt. Es stand in den Sternen, wie sie den Transport und die Behandlung in Kairo überstehen würden. Jetzt war der richtige Zeitpunkt, um Kopien anzufertigen, schließlich konnten wir uns auf zwei ausgebildete Künstler verlassen.
    Ich zweifelte nicht daran, dass Emerson beschlossen hatte, weitere und weitaus ernstere Fragen zu ignorieren. Monsieur Lacau hatte Martinellis Referenzen nicht angezweifelt, als Cyrus diesen eingestellt hatte. Jetzt, da er sich als ausgemachter Halunke erwiesen hatte, könnte Lacau sich natürlich erkundigen, warum wir einen Restaurator beschäftigt hatten, der der Antikenverwaltung nicht bekannt war. Sethos könnte jede Minute aufkreuzen, in irgendeiner Maskerade, und uns auf die Nerven gehen. Dann war da noch Ramses’ sonderbare Begegnung. Ich hatte eine kleine Theorie formuliert, die ich gelegentlich überprüfen wollte.
    Ich griff einige dieser Probleme auf, nachdem Emerson und ich uns zur Nacht zurückgezogen hatten. Er tat eins nach dem anderen als unwichtig ab, doch ich entkräftete jedes seiner Argumente. Wir plusterten uns auf wie zwei Kampfhähne und keiften uns an. Emerson brüllte, weil er die Geduld verlor, ich dagegen hob die Stimme, um Gehör zu finden.
    »Wie erklärst du dir denn die verschleierte Lady?«, forschte ich.
    »Zum Henker, ich sehe nicht ein, warum ich das überhaupt tun sollte!«
    »Ist es dir völlig egal, wenn das Leben deines Sohnes bedroht wird?«
    Ich wusste, das hatte gesessen. Die Zornesröte wich aus seinem Gesicht. »Peabody«, japste er verzweifelt, »soweit ich über diese Begegnung informiert bin, hat sie Ramses mit nichts anderem bedroht als … na ja … äh-hm … Vielleicht sollte es ein Scherz sein.«
    »Ein Scherz? Also wirklich, Emerson!«
    »Das Wort ist schlecht gewählt«, räumte Emerson ein, an seinem Kinngrübchen herumfingernd. »Hölle und Verdammnis, Peabody, du weißt, was ich meine. Sethos hat es neulich Abend angedeutet. Die eine oder andere Verrückte hat ein Auge auf Ramses geworfen. Ägypten ist voll davon«, fuhr er unbekümmert fort. »Verfechter mystischer Religionen, der Reinkarnation, altägyptischer Weissagungen und

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